Mittwoch, 2. Oktober 1974
Dir. Buchner und Rimsky in Linz bestreiten ganz entschieden, daß sie
unseriös gegenüber VÖEST bei den Polen-Verhandlungen gehandelt hätten.
Buchner behauptet, daß er für die Gips-Schwefelsäureanlage seit 1954
in Linz arbeitet ein eigenes know-how entwickelt hat. Insbesondere
ist das Problem wie innen vom Langrohrofen, der 100 m lang ist, der
sich dort ansetzenden Zement wieder herausgeholt werden kann, weniger
ein technologisches und auch kein chemisches Problem, sondern mehr
ein technisches, wie der Zuschlag, der sich dort anlegt, wieder heraus-
geholt werden kann. Für diesen Zweck hat Chemie Linz mit Krupp einen
Wärmeaustauscher entwickelt. Mehrere solche Anlagen stehen bereit und
Krupp bekommt davon 45 % und Chemie Linz 55 % Lizenz. Linz Chemie hat
jetzt mit den Polen abgeschlossen, daß sie dieses know-how mit den
Polen, sei es in Polen, aber auch auf Weltmärkten verwerten wünschen.
In diesem Fall können sie 30 % Polen und 70 % Chemie Linz Lizenzgebühr
verlangen. Polen möchte nun eine große Anlage mit 1,4 Milliarden
Schilling errichten. Davon würde die VÖEST einen beträchtlichen Anteil
bekommen. Die VÖEST aber wieder hat mit der Klöckner-Humboldt-Deutz
einen know-how Vertrag und insbesondere Wärmeaustauschervertrag und
zwar mit Ausschließlichkeit. Zum Unterschied von der VÖEST, die be-
hauptet, daß Chemie-Linz einen Ausschließlichkeitsvertrag hat, be-
hauptet nun Buchner, daß es umgekehrt ist. Als ich erfuhr, daß diese
beiden Vorstände VÖEST und Chemie Linz überhaupt nicht mehr mit-
sammen reden, sondern maximal sich Briefe schreiben, habe ich sofort
Dir. Matthes angerufen und ihm die Situation geschildert. Matthes sagt
nun, daß der Vertrag für ihn vollkommen uninteressant ist, den Buchner
mir sogar gezeigt hat, während er ihn Veselsky und Gatscha verweigerte,
nicht der entscheidende ist, sondern eben ein Anlagevertrag den Buchner
mit Krupp abgeschlossen hat und der eben VÖEST verhindert, bei den Polen
tatsächlich des Geschäft machen zu können. Matthes und ich habe nachher
abends sogar noch mit Gen.Dir. Koller gesprochen, der mir bestätigte,
fürchtet daß sie überhaupt nur zu einem Kontrolloffert herangezogen
werden. In diesem Fall würde die VÖEST monatelang an einem Projekt
arbeiten, ca 1.5 Millionen Schilling Kosten haben und dann doch nicht
die Anlage bekommen. Nach längerem hin und her ist es mir geglückt,
die beiden zusammenzubringen und sie werden nächste Woche Detailbe-
sprechungen führen. Die Polen selbst, Vizeminister Dlugosz versicherte
mir, daß kein Ausschließlichkeitsvertrag vorliegt und daß sehr wohl
die VÖEST reale Chancen hat.
Buchner hat als Beweis, wie sehr er mit Chemie Linz und VÖEST die
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Zusammenarbeit versucht, mir mitgeteilt, daß die Melaminanlage, die
zuerst 350 Millionen hätte kosten sollen, jetzt nicht zuletzt auf
Wunsch, allerdings der Polen, auf 730 Millionen Schilling angewachsen
ist. Wenn VÖEST-Chemie jetzt diese Anlage bekommt, so muß Chemie Linz
136.000 to Melamin kaufen um einen Wert von 1.3 Milliarden. Derzeit
ist die Erzeugung von Chemie Linz auf einer alten Anlage 5.000, auf
einer neuen 10.000 to, die Polen bekommen 2 Anlagen à 16.000, wovon
sie die zweite durch 8 Jahre hindurch ausschließlich dazu benützen,
um die Anlage der VÖEST abzuzahlen. Dadurch wird Chemie Linz 1978
56.000 to absetzen müssen. Da dies eine beträchtliche Menge ist
und Chemie Linz sich dafür sehr stark wird einsetzen müssen, ist die
der Beweis, wie sehr Chemie Linz sich für die VÖEST überall einsetzt.
Genauso hat Buchner angeblich auch bei den bisherigen Verhandlungen
in Warschau sich ausschließlich für die VÖEST eingesetzt. Demgegenüber
behauptet Koller, er weiß, daß außer dem Vertrag, den ich gesehen habe
und der Juli 74 geschlossen wurde, noch einen Vertrag vom August geben
soll, zwischen den Polen und Chemie Linz, welcher eben vorsieht, daß
die Schwefelsäure-Gipsanlage nur von Krupp gebaut werden soll.
ANMERKUNG für BUKOWSKI: Fälbl und das Branchenreferat soll die ganze
Angelegenheit genau verfolgen und mich laufend informieren.
Der ehemalige Präsident der Papierindustrie Popovic, der gleichzeitig
Aufsichtsrat bei Wolfsegg-Traunthaler Kohlenbergbau ist, kam um mir
die Lage in diesem Betrieb zu schildern. Er hätte bei der Aufsichtsrats-
sitzung eine sachlich und kollegiale, aber nichts destoweniger harte
Auseinandersetzung mit dem Betriebsrat Oberreiter gehabt. Dieser ver-
langt nämlich, daß entsprechende Investitionen getätigt werden. Popovic
steht nun auf dem Standpunkt, daß sie zwar noch 20 Millionen Schilling
zur Verfügung haben, aber bereits im nächsten Jahr, oder spätestens im
übernächsten Jahr ihr Grundkapital zur Hälfte verloren haben und dann
eigentlich den Ausgleich resp. den Konkurs anmelden müssen. Die 10 Milli-
onen Investitionen für 1975 könnten sie sich dann letzten Endes so
einigen, daß sie von den 20 Millionen, 10 auf ein Konto separat ge-
bucht haben, wodurch sie formell keine gegen das Gesetz verstoßende
Lösung gemacht haben. Materiell sieht es aber so aus, daß sie 1972
einen Verlustvortrag von 7.5 Millionen, 1973 einen von 6 Millionen
erwirtschaftet haben, sodaß jetzt der Verlust 13.5 Millionen beträgt.
Dies obwohl sie die ERP-Schuld von 22 Millionen gestrichen bekommen
haben und außerdem aus der Bergbauförderung einen außerordentlich
hohen Betrag von 15 Millionen Schilling erhielten. 1974 werden sie,
selbst wenn sie die 15 Millionen Schilling bekommen, die ERP-Schulden
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nicht mehr haben und dadurch wird sich ihre Bilanz wesentlich
verschlechtern. Auf die Tonne haben sie 1974 282 Schilling
Gesamtkosten. Da der Erlös nur 177.- Schilling beträgt, verlieren
sie pro Tonne 104.- Schilling. Bei 600.000 Tonnen Umsatz haben
sie 60 Millionen Schilling Verlust. Dazu kommt jetzt eine Lohn-
erhöhung von 20%, bei 46% Lohntangente auf 128.- Schilling pro
Tonne Lohnkosten, ergibt dies weitere ca 30.- Verlusterhöhung.
Popovic selbst hat nach den Wahlen versucht, ob die OKA, wo er
ebenfalls Aufsichtsrat ist, gegebenenfalls die WTK übernehmen
würde. Eine solche Idee habe ich seinerzeit lanciert, um zu sehen,
ob vielleicht wirklich eine Möglichkeit besteht, daß wir einen Berg-
bau auf diese Art los werden können. Popovic teilt mir mit, daß sowohl
Gen.Dir. Klimesch als auch die Politiker LH Wenzl als auch LH-Stv.
Fridl dies entschieden abgelehnt haben. Die OKA ist bereit, ihren
Umsatzanteil von 300.000 Tonen gegebenenfalls zu vergrößern und
in Trimmelkam ein neues kalorisches Kraftwerk zu errichten.
Die jetzt vorhandenen sind unrentabel. Da das Fernheizwerk Linz mit
100.000 Tonnen der zweite größere Abnehmer ist, könnte damit die
Absatzlage gesichert werden. Derzeit versucht man sogar bei der WTK
durch Bohrungen neue Kohlestätten zu finden.
Popovic, der Papier jetzt nicht mehr als Vorsitzender bearbeitet,
aber doch noch immer sehr stark in der Papierbranche mitarbeitet,
bestätigt mir, daß es in der Steiermark wegen der Umweltschutz-
investitionen einen großen Krieg zwischen der Pölser, Brigl & Berg-
meister in Niklasdorf und der Leykam in Gratkorn gibt. Die Absicht
ist, daß jetzt Leykam in Gratkorn so schnell als möglich die 150.000
Tonnen Zellulosefabrik umbaut und errichtet, während natürlich die
Pölser, aber auch die Brigl & Bergmeister-Leute sagen, sie ver-
schmutzen die Mur im Oberlauf entsprechend und auch diese Umwälz-
einrichtungen von uns jetzt finanziert bekommen wollen. Zum Glück
ist derzeit sowieso kein Geld, weder für Leykam noch für die anderen
Papierfabriken vorhanden. Der Wasserwirtschaftsfonds, der herangezogen
werden sollte, hat keine Mittel, sodass wir jetzt eine endgültige
Entscheidung nicht einmal treffen müssen. Bis wieder Geld zur Ver-
fügung steht, hoffe ich, haben sie sich schon zusammengestritten.
ANMERKUNG für GRÜNWALD: Haffner soll uns ständig auf dem Laufenden
halten.
Beim Frühstück am Kahlenberg konnte ich wieder einmal das Protokoll
bewundern. Da immer womöglich ein Mann, eine Frau wie aufgefädelt
sitzen müssen und der Rang entscheidend ist, kam Frau Sallinger
vis à vis zu mir und an ihrer Seite ein polnischer Delegierter,
der kein Wort deutsch resp. auch keine andere restliche Fremd-
sprache sprach, zu sitzen. Neben mir die Frau des Botschafters
Haymerle und dann gegenüber und neben ihr wieder Polen, die aller-
dings ganz gut deutsch konnten. Wenn wir nicht so blöd aufgefädelt
wären, könnten sich wahrscheinlich die Männer, die je einiges zu
reden hätten und ein ganz anderes Interessensgebiet haben, wesentlich
besser unterhalten und die Frauen untereinander wären genau so
glücklich, weil sie dann die Möglichkeit hätten, ihre Gesprächsthemen
zu bestimmen. So es das eine ganz gekünstelte und nichtssagende
Unterhaltung, über die Familie usw., was man halt so plaudert.
Die Aussicht war auch nicht besonders, da das Wetter sehr trüb war,
dafür aber das Essen umso schlechter. Gratz hat mir gleich beim
reingehen gesagt, niemals ladet er Gäste auf den Kahlenberg, weil
dort so eine schlechte Küche ist. Da Kahlenberg der Gemeinde Wien
gehört, ist das gerade auch nicht ein besonders günstiges Renommée
dieses Unternehmens.
Bei den Bau- und Holzarbeitern gab es einen triumphalen Empfang
für jeden Minister und ganz besonders auch für Kreisky. Obmann
Böck hat allerdings gleich bei der Eröffnung auf den Wunsch der
Bauarbeiter hingewiesen, daß die notwendigen finanziellen Mittel
für den Straßenbau reserviert bleiben müßten. Kreisky machte sich
Notizen und ich habe angenommen, er wird vielleicht auf dieses
Problem eingehen. Ein schlauer Politiker aber wie er ist, hat er
sich ausschließlich mit dem Problem der Vollbeschäftigung befasst,
dadurch natürlich Applaus bekommen und dann gleich auf den Besuch
Ministerpräsidenten Jaroszewicz, mit dem jetzt Milliarden-Projekte
abgeschlossen werden und deshalb die Repräsentation die paar
Essen, wie er sich ausdrückte, sich bezahlt machen. Ebenso ging
er dann auf die Repräsentationsfrage der UNO-City ein und verwies
darauf, dass es sich hier um die grösste Bauarbeiterreserve handelt,
die er ja gab, unterbrechen würde mehr Kosten verursachen
und sei gar nicht zweckmässig. Anschliessend mussten sich er und
ich uns gleich empfehlen, weil die Verhandlungen im BKA schon längst
hätten beginnen müssen. Die Einleitung des Gewerkschaftstages war
nämlich durch die Musikkapelle der Verkehrsbetriebe fast eine halbe
Stunde gewesen.
Kreisky konnte Jaroszewicz nicht sofort empfangen und ich musste
ihn daher in den Saal begleiten, wobei Jaroszewicz mich ersuchte,
er möchte die Stelle sehen, wo Bundeskanzler Dollfuss ermordet wurde.
Zum Glück wusste ich besser als Veselsky, wo diese Stelle war,
und Jaroszewicz war sehr interessiert, hat teilweise sogar seine
Begleitung mitgenommen und dort dann den Ausspruch zu sagen: furcht-
bar. Kreisky erzählte mir dann, er selbst hätte ihm von dieser
Tat im BKA berichtet und deshalb hätte Jaroszewicz eben den Wunsch
geäussert, dort hinzugehen. Gegenüber Kreisky bemerkte ich, dass
ich Jaroszewicz gerne aufgeklärt hätte, dass wir damals gar nicht
dies als eine furchtbare Tat empfunden haben. Da aber eine solche
Erklärung längere Zeit in Anspruch genommen hätte, wahrscheinlich
auch sogar das Legitimitätsprinzip von Jaroszewicz irgendwie er-
schüttert hätte, ihm gilt scheinbar der Bundeskanzler als der legi-
time Vertreter Österreichs, unterliess ich diese Bemerkungen. Für
die Polen ist eben Dollfuss von den Nazis ermordet worden. Viel-
leicht sogar noch einfacher ausgedrückt: ein Österreicher von
deutschen Nazis, die letzten Endes dann auch Polen besetzten und
zerstörten. Die Besprechungen selbst waren verhältnismässig kurz,
Kreisky wies darauf hin, dass die Polen ja nur Kohle, Kupfer, Schwefel
und Salz haben und Österreich die Technologie für die weitere Ver-
arbeitung zur Verfügung stellen könnte. Vorher im Auto hat er mir
gerade erzählt, dass ihn Riankiewicz, das ist der Vizeminister
von der Planungskommission und der Mann, der scheinbar in der
ganzen Delegation die Detailarbeit macht, eben erzählt hat, dass
sie von diesen vier Rohstoffe mehr oder minder leben müssen.
Kreisky selbst hat dies dann sofort in der Sitzung sehr geschickt
verwendet, ich bin nämlich überzeugt, dass er von seinem Büro
oder der Sektion IV keine wirklich brauchbaren Detailinformationen
bekommt, sondern sich eben aus ständigen Gespräche und Diskussionen
die notwendigen Unterlagen selbst erarbeitet. Da er ein gutes
Gedächtnis hat und sehr clever ist, fällt es ihm nicht schwer,
dadurch immer mit ungeheuren Kenntnissen zu brillieren. Die Unter-
zeichnungen einer grösseren Anzahl von Protokollen und Vereinbarungen
schloss dann den formellen Rahmen ab. Meisl und Fälbl hatten mich
während des Tages darauf aufmerksam gemacht, dass Veselsky einen
Protokollentwurf vorgelegt hatte, wo einerseits die private
Wirtschaft mit ihren Projekten überhaupt nicht aufschien und anderer-
seits Riankiewicz und Veselsky als weitere Koordinatoren und sozu-
sagen dispacer verwendet werden sollten. Ich habe Veselsky sofort
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angerufen und auf diese beiden unmöglichen Stellen aufmerksam
gemacht. Veselsky erklärte, er hätte gar nicht die Ansicht gehabt
sich jetzt als weiterer Koordinator in einem Protokoll zu ver-
ankern, sondern dies sei der Wunsch der polnischen Seite gewesen,
da er einsah, dass dies gegen unsere Kompetenzaufteilung verstiess,
hat er auch sofort darauf verzichtet. Ausserdem hat er sich selbst-
verständlich bereit erklärt, die privaten Lieferwünsche aufzunehmen.
Fälbl musste sich dann selbst hinsetzen und eine Liste zusammen-
schreiben, weil sich Gleissner, wie er mir mitteilt, ausserstande
erklärt, so schnell eine Liste vorlegen zu können. Gleissner
dürfte erstens sehr vorsichtig sein und zweitens immer grosse
Widerstände innerhalb der Bundeskammer haben, wenn er solche ad-hoc-
Entscheidungen treffen muss. Mussil und Sallinger habe ich dann die
Protokolle, bevor wir sie unterzeichneten, d.h. bevor die Ver-
handlungen begonnen haben, gegeben, und sowohl Sallinger als auch
Mussil waren hocherfreut, da sie, wie Sallinger sagte, das erste
Mal feststellen konnten, dass ich mich wirklich gegen das Bundes-
kanzleramt durchgesetzt habe. Sie hatten den ersten Vertragsent-
wurf nur gesehen und waren erschüttert, dass man auf die private
Wirtschaft so vollkommen vergessen hatte. Meiner Meinung nach ist
die Behauptung von Sallinger absolut falsch. Die polnische Delega-
tion war während des Tages auf einem offiziellen Besuch in der Bundes-
kammer und dort hätte Sallinger mit Unterstützung von
Gleissner alle diese Wünsche und Forderungen leicht unterbringen
können. Dort hat man scheinbar aber auch mehr über allgemeine wirt-
schaftspolitische Probleme gesprochen als über konkrete Geschäfte.
Ohne mir etwas einzubilden, habe ich glaube ich erst bei meiner
Amtsübernahme in meinen Verhandlungen mit den Oststaaten, aber
auch mit Weststaaten angefangen, durch konkrete Übergabe von Projek-
ten von Listen von entsprechenden Lieferwünschen die wirkliche
konkrete Detailarbeit sofort selbst zu führen. Früher war dies
sicherlich unter der Würde des Ministers. Ich kann mir nämlich
sehr gut noch vorstellen, wie Reiterer mir einreden wollte, Aufgabe
des Ministers sei es, die formelle Sitzung zuleiten, den Gast ent-
sprechend womöglich mit Alkoholika zu bewirten, unter Vier-Augen-
Gesprächen dem Ganzen eine Nimbus zu geben, als wenn hier die
grössten und wichtigsten Fragen erörtert werden und dies wirklich
interessante Detailarbeit aber selbstverständlich den Beamten
zu überlassen sei. Dass er mit dieser Arbeitsmethode bei mir kein
Glück hat, brauche ich hier nicht besonders zu erwähnen.
Fälbl hat sich dann sofort umgestellt und ist heute wahrschein-
lich einer der Tüchtigsten, der bei allen Verhandlungen sofort
auf konkrete Geschäfte eingeht. Die Gefahr ist nur bei ihm,
dass er die Geschäfte nur aufnimmt, die er zeitgerecht und
schriftlich, sei es von der Handelskammer oder von den Firmen be-
kommt. Wer später kommt, wer ihm fast würde ich sagen nicht mehr
in den Kram passt, hat kaum eine Chance aufgenommen zu werden.
Auf alle Fälle entwickelt er aber Initiative und kommt daher
immer wieder mit Gleissner in Widerspruch. Fälbl ist hier näm-
lich viel beweglicher als Gleissner, der allerdings auch seine
Berechtigung beweisen will, indem er eben alles in der Bundes-
kammer abspricht, koordiniert, sich entsprechend absichert und
dadurch niemals zeitgerecht fertig wird oder überhaupt kleinkarierte
Wünsche seiner Mitglieder dann aufnehmen muss und entsprechend vor-
trägt und vertritt. Dies regt Fälbl nicht zu Unrecht meistens auf
und er möchte daher, dass die Entscheidung von mir so schnell
wie möglich, auch wenn sie gegen die Handelskammer gerichtet ist,
gefällt wird. Genau dies kann ich aber wieder bei den Ostver-
handlungen nicht brauchen. Früher oder später wird es zu ganz harter
Konkurrenz kommen und ich brauche dann dringendst den Nachweis,
dass alles im Einvernehmen mit der Handelskammer geschehen ist.
Bei der Ostliberalisierung insbesondere Obst und Gemüse wird sich
dies sehr bald zeigen.
Das Conte-Diner, wie die diplomatische Sprache dies so schön sagt,
in der polnischen Botschaft war ein tadelloses gutes polnisches
Essen. Vizeminister Dlugosz war scheinbar eingeteilt, sich mit
mir an einen Tisch zu setzen, es war keine Tischordnung vorgesehen
– auch ein vernünftiger Vorschlag – und wir haben dann mit Igler
und Leodolter uns sehr gut unterhalten. Reidinger, der Polizei-
präsident, ist nachher später erst erschienen und hat uns von dem
Überfall und von der Befreiung natürlich alle Details insbesondere
für die Frauen erzählt. Eines hat mich am meisten gefreut, dass
es scheinbar immer wieder gelingt in Österreich solche Verbrechen
ohne Blutvergiessen zu beenden. Eigentlich eine gigantische Leistung,
die zeigt, wie man mit Wiener Schmäh und der Wiener Methode – mit
dem Reden kommen die Leut zamm – und geben sie doch zeitgerecht auf
– usw. die Probleme wesentlich besser löst als überall anders. in
der Welt.
Tagesprogramm, 2.10.1974