Freitag, der 25. Februar 1972

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Freitag, 25. Februar 1972

Der österreichische Botschafter Wolf in Argentinien hat in
einer Diskussion mit Meisl und mir zugeben müssen, daß die Vertretungs-
behörden in Lateinamerika kaum etwas erreichen können. Sowohl die Bot-
schaften als auch die Außenhandelsstellen haben keine oder nur geringe
Möglichkeiten den Export in diese Länder wesentlich zu verbessern. Wohl hat
im Vorjahr der Export nach Argentinien von 225 Mio. auf 300 Mio. zugenom-
men, obwohl sich der Außenhandelsstellenleiter sehr bemüht hat, hat er dazu
wesentlich nichts beitragen können. Die großen Firmen haben einen eigenen
Vertreter und Böhler, Reifer, Plasser & Theurer könnten ihre Exporte auch
ohne die Botschaft resp. die Außenhandelsstellenleiter in diesem beschei-
denen Umfang aufrecht erhalten. Man spricht zwar immer, daß im ganzen süd-
amerikanischen Raum eine große Exportzukunft liegt, doch niemand kann
auch dur bescheiden die entsprechenden Erfolge erzielen. In der ersten
Republik hat es eine einzige Vertretungsbehörde in ganz Lateinamerika
gegeben, dies ging auf die Sparmaßnahmen der Völkerbundanordnung zurück.
Ich glaube nicht, daß es sinnvoll wäre alle Vertretungsbehörden aufzulassen
und einen einzigen zu errichten, doch glaube ich, daß wir uns den Kopf
zerbrechen sollten, ob wir nicht eine andere Organisationsform finden
können.

Bei der Werksbesichtigung der Rohölgewinnungs AG in Zistersdorf war sowohl
der Leiter der Bergbehörde, Gasser, als sein Stellvertreter Dworak, als
der Referent Mayer und der örtliche Berghauptmann Bornsholm anwesend. Be-
zirkshauptmann, Bürgermeister und noch ein halbes Dutzend von anderen
Honoratioren war ebenfalls. Es war Aufwand nur deshalb weil ein Minister
einige Worte und Auszeichnungen an Werksangehörige übergibt. Ich habe
Zistersdorf aus zwei Gründen besucht. Erstens ist dort wirklich die erste
Lagerstätte, wo in der 1. Republik Öl gefunden wurde und zweites ist dies
der Betrieb, wo die RAG die finanziellen Mittel herausgepumpt hat, um in
Oberösterreich die Aufschließungsarbeiten zu finanzieren. Jetzt produziert
die RAG neben der ÖMV 14 % der österreichischen Erdölproduktion und einen
17 %igen Anteil an dem österr. Gaserzeugung. Da ich schon einige Male
in der ÖMV gewesen bin, war es mir vor allem wichtig zu dokumentieren, daß
ich auch einen privaten Betrieb, die RAG setzt sich aus Shell, und Mobil zu-
sammen, genau dieselbe Aufmerksamkeit widme. Gen.Dir. Dr.



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Diwald hat auch anerkannt, daß ich wirklich objektiv zwischen den Ge-
sellschaften vermittle resp. mich nicht einer einseitigen Bevorzugung
der ÖMV zuschulden kommen lasse. Das Menschenaufgebot wäre allerdings
nicht notwendig gewesen.

Anmerkung für HEINDL
Prüfe, ob die auch noch alles Tagesdiäten verrechnen, dann könnte ich
mir nämlich erklären, warum wir mit den Inlandsreiseansätzen nicht aus-
kommen.

Kahane und Vizepräs. des Aufsichtsrates Dr. Schröfl berichteten mir
daß sie mit der Zuckerindustrie zu keinem Einvernehmen über eine
Lieferung an die Zitronensäureproduktion gekommen sind. Zuerst wollte
die Zuckerindustrie überhaupt nichts liefern und dann hat sie sich
bereit erklärt, 1.000 t zur Verfügung zu stellen. Dr. Schröfl hat mit
den Rübenbauern-Vertretern Weihs verhandelt, da er einen festen Kontrakt
mit den Rübenbauern abschließen möchte. 5.000 t Zucker, das ist ungefähr
1/3 des Bedarfes, würden sie in einem 3-Jahresvertrag in Rübe, d.s. ca.
35.000 t Rüben, übernehmen. Diese Rüben möchten sie dann entweder den österr.
Zuckerfabriken oder den ungar. oder tschechischen anbieten und in Lohn ver-
arbeiten lassen. Weihs hat natürlich sofort abgelehnt und erklärt, die
Rübenbauern und die Zuckerindustrie seien eine geschlossene Einheit.
Ein solches Geschäft komme deshalb nicht in Frage.

Dir. Egger von Vorwärts und Holzbach von Waldheim-Eberle berichten mir,
daß sie mich als Schiedsrichter ablehnen. Sie kommen extra, um mir zu sagen,
daß sich dies nicht gegen mich richtet. Die Papierindustrie hat in dem Streit
über die Roto-Papierpreise vorgeschlagen, die Paritätische Kommission, d.h.
den Bundeskanzler, mich als Handelsminister oder Hrdlitschka in seiner
Funktion als Präsident der Arbeiterkammer. Die Druckereien lehnen alle
drei ab, weil sie auf dem Standpunkt stehen, es müsse nur ein Sachver-
ständiger prüfen, ob die Vertragsvoraussetzungen eingetreten sind. Holz-
bach
warnt noch mit Recht, wenn ich entscheide, könnte dann eine
Zeitung in irgend einer Weise einmal für mich schreiben, dann hieße
es ich hätte sie bestochen, mit diesem Papierpreis. Schreiben sie kontra,
dann würde man sagen, weil ich ihnen nicht entsprechend entgegengekommen
in. Tatsache ist, daß der Vertrag, der bis 1975 lauft, vorsieht, daß alle


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1/2 Jahre die Preise überprüft werden. Die Preise richten sich nach
den schwedischen Preisen in der BRD. Diese Preise sind nun bereits vor
einem 1/2 Jahr entsprechend reduziert werden, doch hat man damals durch
die floating-Situation bedingt, von Seiten der Druckereien verzichtet,
den Papierpreis genau durchzurechnen. Jetzt aber verlangen sie eine
mindestens 8 %ige Reduzierung. Die ÖPA hat aber errechnet, daß nur 4,5 %
möglich sind. Ein Sachverständiger sollte nun in der BRD eine genaue
Überprüfung vornehmen. Die ÖPA – Mairhuber, Raab und Geier haben be-
reits zugestanden, daß der Rotationspapierpreis von 450,–– S die Tonne
auf 430,–– S gesenkt werden kann. Der Streit geht noch über einen soge-
nannten Währungsabschlag um 1,50 DM. Die S 12,–– sollen derzeit nicht abge-
rechnet werden vom Preis, aber bei der nächsten Preiserhöhung kompensiert
werden. Die ÖPA lehnt dies entschieden ab. Wenn die ÖPA nicht heute den
Vertrag hätte, würden wahrscheinlich die österreichischen Druckereien
das Ratio-Papier von Deutschland beziehen. Weltmühle, die größte deutsche
Papierfabrik hat angeblich Waldheim-Eberle franko Haus das Roto-Papier
mit 416,–– die t angeboten. Holzbach teilt mir auch mit, daß die ÖPA
nun mit einigen Dutzend Papiersorten zur Paritätischen Kommission gehen
wird, um Preiserhöhungen zu erreichen. Er meinte, daß dies ganz sinnlos
ist, weil sie am Markt diese Preiserhöhung nie erzielen werden.

Anmerkung für WANKE

Bitte Haffner verständigen und Antrag anfordern.

Nach welchen Gesichtspunkten unser Tagesprogramm entweder in Druckschrift,
d.h. damit automatisch das ganze Haus, oder in Handschrift, nur für mich
die einzelnen Versammlungen klassifiziert, ist mir ein Rätsel. Das Re-
ferat bei den soz. Betriebsarbeitsgemeinschaft der Wiener Gebietskranken-
kasse war genau so viel oder wenig politisch als wie die gemeinsam Ver-
anstaltung mit Fritz Muliar in Enzersdorf. Muliar ist dort neu angesiedelt
und hat sich, was ich ihm hoch anrechne, für die Gemeinderatswahl zur Ver-
fügung gestellt. Als sehr bekannter Schauspieler und ich würde fast sagen
Volksschauspieler, der eine große Masse beeinflussen kann, hat er natürlich
dafür gesorgt, daß der Stadtsaal schön voll war. Leider bin ich zu spät
gekommen und habe sein Referat nicht gehört, ich weiß, daß er aber in
solchen politischen Veranstaltung viel weniger Schmäh macht, als wie eine


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wirklich ernste politische Analyse von seiner Warte, die meistens auch
die meisten Menschen als ihre betrachten, bringt. Umso leichter kann ich
dann im politischen Referat aufgelockert durch einige Schmähs, wirklich
ein bisschen Muliar-Stil reinbringen. Die Benzinpreiserhöhung erklärte
ich auch gleich, daß wir den Bleigehalt vom Benzin herabgesetzt haben und
wenn deshalb eine oder andere Frau auf die Waage gestiegen ist und jetzt
weniger wiegt, so liegt dies daran, daß sie weniger Blei eingeatmet hat.
So blöde Schmäh, die man eben von einem Minister kaum erwartet, kommen
beim Publikum irrsinnig gut an. Vielleicht wäre es überhaupt zweckmäßig,
wenn ich mit Muliar öfters auftreten würde. Mir vorher ein entsprechendes
Konzept auf dieser Linie festzulegen. Hier wäre wirklich eine Art Doppel-
conference, wie ich sie improvisiere, entsprechend vorbereitet am zweck-
mäßigsten.

Anmerkung für KOPPE
Bitte überlege, ob wir so etwas für die nächsten Propagandareisen vor-
bereiten sollen.

Vollkommen unerklärlich ist mir, daß am Tagesprogramm für den letzten
Punkt Abendessen im St.-Johannes-Club in die Klammer geschrieben wurde:
opinion leaders. Wenn dies im Haus bekannt wird, muß es bedeuten, daß
ich genau deshalb dort hingehe, um diese Leute zu beeinflussen. Natürlich
weiß dies ein jeder, daß dies meine Absicht ist, aber müssen dies doch
nicht schwarz auf weiß niederschreiben. In diesem St.-Johannes-Club,
Prof. Mittag, der bei uns den Werbungs-Ausschuß führt, hat mich dazu
animiert. In den Räumen ist auch der Jockey-Club, d.h. es ist ein feiner
privater Klub, wo sogar privat gekocht wird. Mit den 19 anwesenden Ge-
neraldirektoren und sonstigen Vertretern der Wirtschaft hatte ich eine
interessante Diskussion. Beabsichtigt war dies 21:15, gedauert hat es
bis 23:15 und ich hätte wahrscheinlich noch stundenlang dortbleiben können.
Zuletzt entwickelte sich aber die Diskussion von Wirtschaftsfragen immer
mehr in ideologische und ich habe deshalb größten Wert darauf gelegt, diese
Diskussion durch eine Entschuldigung, nachdem ich ja bereits um 21:15
erklärte, ich müsse gehen, um 23:15 dann wirklich zu verlassen. Letzten
Fragen bewegten sich dann schon ein ein Gebiet, wo ich nicht sehr sattel-
fest bin. Bestrebungen der schwedischen Sozialdemokratie mit ihrem Gleich-
heitsgrundsatz stoßt natürlich auf größten Widerstand bei diesen elitären
Schichten. Die Frage war, ob wir dies auch in Österreich einführen wollen


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und ob wir der Meinung sind, daß diese elitäre Managerschichte wegkommen
müßte. Meine Ausflucht bestand darin, daß ich erklärte, daß der Wohlstand
in Schweden noch nicht dazu geführt hat, um die Freiheitsprinzipien,
die wir doch alle anstreben, zu erfüllen und deshalb wahrscheinlich ein
so starkes Verlangen über das Gleichheitsprinzip nun vielleicht unser
Freiheitsideal eher zu erreichen. Ansonsten war die Diskussion sehr
interessant, da ja auch Landwirte, d.h. Gutsbesitzer und vor allem aber
Papierindustrielle und sonstige Manager anwesend waren. Auf Grund einer
25 jährigen Vergangenheit und Tätigkeit mit diesen Problemen konnte ich
mit Details, Informationen, aber auch Kenntnissen aufwarten, die sicher-
lich gut angekommen sind. Wie lange ich allerdings noch von dieser Ver-
gangenheit und Kenntnissen leben werde, kann ich mir derzeit noch nicht
ausreichen. Sicher wird aber einmal, und dies vielleicht sehr bald, die
Zeit kommen, wo ich diese Spezialkenntnisse nicht mehr besitzen werde.
Ob ich dann mit dem schähn, den ich jetzt natürlich jetzt in jede Dis-
kussion einflechte, leben kann, bezweifle ich. Bei der Verabschiedung
erfuhr ich dann, daß auch Kreisky und Androsch bei ihnen geladen waren.
Interessant wäre, ob auch in der Klaus-Regierung so viele Minister bei
ihnen gewesen sind.

Anmerkung für KOPPE
Vielleicht kann dies Welser über Mittag herausbekommen.

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Tagesprogramm, 25.2.1972


Tätigkeit: RA Kahanes; evtl. Falschidentifikation


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: GD RAG


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: AK, ÖIAG
      GND ID: 128336552


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: öst. Botsch. Argentinien; Vorname evtl. Karl


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: ÖPA; Falschschreibung?


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: SChef HM
            GND ID: 12195126X


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Präs. Rübenbauernbund


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Finanzminister
                GND ID: 118503049


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Welser Papierfabrik (?), Zentraldir. ÖPA


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Bundeskanzler
                    GND ID: 118566512


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: ÖPA


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: MR HM


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: MR HM, Leiter OB


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Vors. Ausschuss Wirtschaftswerbung im Konsumentenbeirat d. HM


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: MR HM, stv. Leiter OB


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: GD Druckerei Waldheim-Eberle


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: OB


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: Unternehmer


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        Tätigkeit: Büro Staribacher, HM; Pro-Zwentendorf-Kampagne


                                        Einträge mit Erwähnung:
                                          Tätigkeit: nö. (?) Berghauptmann; Falschschreibung?


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


                                            Einträge mit Erwähnung:
                                              Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                                              GND ID: 102318379X


                                              Einträge mit Erwähnung:


                                                Einträge mit Erwähnung:
                                                  Tätigkeit: Vorwärts-Verlag, Vizepräs. Zeitungsherausgeberverband


                                                  Einträge mit Erwähnung: