Mittwoch, 26. Jänner 1972
In der ersten Republik hat die Wiener Autofil Taxameter AG 475 Taxi-
konzessionen gehabt. 1937 wurden noch immer 237 gezählt. Da dies belgi-
sches Feindvermögen war, wurde es von den Nationalsozialisten eingezogen.
Die Konzessionen wurden verdienten Lenkern gegeben. 1959 hat Dr. Richard
die WAT gekauft und jetzt von einer AG in eine Kommanditgesellschaft,
indem er seinen Sohn hineingenommen hat, umgewandelt. Vor
Jahren hat er um 20 Konzessionen angesucht. Die Fachgruppe, Toder, hat
angeblich nichts dagegen, dass er jetzt 5 Konzessionen bekommen soll und
damit der Rechtsstreit, ob er auf weitere Konzessionen Ansprüche hätte
oder stellen würde, beigelegt ist. So behauptet Richard. Mir erschien
eine Erfüllung dieses Wunsches sehr problematisch, da andere genau solche
Situationen hatten und gerne mit uns sich vergleichen würden, wenn wir
ihnen einen Teil ihrer Konzessionen zugestehen würden. Metzner hat deshalb
auch die rechtliche Seite ihm auseinandergesetzt, Richard soll uns wegen
Nichterfüllung seines Wunsches beim Verwaltungsgerichtshof klagen. Bei
dieser Gelegenheiten teilte er uns auch mit, dass er auch eine unbeschränkte
Fuhrwerkskonzessionen gehabt hat und nun, da sein Sohn in das Geschäft ein-
steigt, er gerne auch wieder die unbeschränkte Fuhrwerkskonzession weiter-
geben möchte, wie dies Römer im 10. Bezirk erreicht hat. Römer ist heute
ein grosser Sprecher der ÖVP-Fuhrwerksbesitzer und Sohn des ehemaligen
Wirtschaftsbundfunkitonärs und Bundesrates. Ich vermutete eine richtige
Protektion, da seit Jahren unbeschränkte Fuhrwerkskonzessionen nicht ver-
geben werden sollen. Nach Rücksprache mit Jagoda musste ich feststellen,
dass die unbeschränkte Fuhrwerkskonzession von den Mag. Bezirksämtern
entgegen dem eindeutigen Erlass des Bundesministeriums verliehen werden.
Jagoda wird dies mit dem Magistrat der Stadt Wien besprechen.
Metzner macht mich darauf aufmerksam, dass die Intervention von Landes-
rat Suchanek wegen einer Klagenfurter Fahrschulkonzession nur sehr unsauber
erledigt werden könnte. Ich erkläre ihm sofort, dass dies nicht in Frage
kommt, es wurden jetzt neue Erhebungen eingeleitet. Wenn diese Erhebungen
kein anderes Bild ergeben als die ersten Erhebungen von Kärnten, dann
wird das Ansuchen auf alle Fälle abgelehnt. Interessant ist nur gewesen,
dass die erste Instanz Metzner mitgeteilt hat, dass sie auf politische
Weisung die positive Erledigung durchführen musste. Der Beamte hat deshalb
den Beschied so gemacht, dass wenn eine Berufung durch die Handelskammer
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erfolgt, er von mir auf alle Fälle aufgehoben werden müsste. Daraus
sieht man, wie Beamte doch politischen Weisungen entgehen können.
Die Mitglieder des Freien Wirtschaftsverbandes – Kongress d. Schau-
steller – hatten eine Aussprache erbeten und ich hatte ihnen Gott sei
Dank einen Termin eingeräumt. Dadurch konnte ich Details ihrer Proble-
matik erfahren, die mir dann am Nachmittag bei der Grosskundgebung des
Schaustellerkongresses sehr zugute kamen. Dieser Kongress war
vielleicht von 200 Leuten beschickt, aber von 11 Nationen in Europa
zogen die entsprechenden Präsidenten mit Fahnen und Standarten ge-
schmückt wie zu einem Umzug in den Saal ein. Der Einmarsch dauerte
glaube ich länger als die ganze Begrüssungsansprachen. Da ich Detail-
informationen über ihr Problem noch frisch in Erinnerung hatte, konnte
ich in launiger Weise auf alle ihre Wünsche durch Detailhinweise unser
grosses Interesse bekunden. Der nach mir sprechende französische Prä-
sident bedankte sich dann nicht nur dafür, sondern wies ganz besonders
darauf hin, er hätte niemals erwartet, dass ein Minister so viele
Details ihrer Probleme kenne und sich so dafür einsetzt. Er wird
dies, wenn er nach Frankreich kommt, seinem Handelsminister sagen,
der sie noch niemals empfangen hat.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Dies erschiene mir die richtige Information für
ähnliche Veranstaltungen.
Gen.Sekr. Wodak wollte mir über die Gemischte österr.-französische Kom-
mission ausführlich berichten. Leider hat das Büro ihn zwischen zwei
Sitzungen, die vorgesehen waren, eingeteilt, sodass die Sektionsleiter-
besprechung, für die nur eine Stunde vorgesehen war, wesentlich länger
dauerte.
Anmerkung für Wiesinger: Bitte in Hinkunft auf die Zeiteinteilungen
besser achten. Eine Sektionsleitersitzung kann nicht in einer Stunde
zu Ende sein.
Wodak lässt mir die Schlussworte des Staatssekretärs Lipkowski lesen,
die er zusammengefasst hat. Lipkowski selbst sagt darin, dass am
Anfang die franz.-österr. Gemischte Kommission kaum positive Arbeit ge-
leistet hat. Bei der jetzigen Sitzung sei es aber doch jetzt gelungen,
die französische Bank, die in Österreich errichtet wird, zu besprechen.
Zweitens am Agrarsektor Expertengruppen eingesetzt werden, um bilateral
die Wünsche der Agrarier zu besprechen. Drittens durch Kooperationen
soll der Handel vertieft werden und Spezialkoordinatoren eingesetzt.
Die Frage ist, ob das Handelsministerium oder das Aussenamt leiten
soll. In dieser Hinsicht muss ich mit Kirchschläger die Probleme einmal
durchbesprechen und vor allem klären, ob wirklich das Aussenamt in
Hinkunft in diesen Gemischten französischen und in Hinkunft wahrscheinlich
auch gemischten italienischen und auch jugoslawischen Kommissionen
die Federführung so wie bei der französischen Kommission aufrechter-
halten will und kann. Das wichtigste Ergebnis war aber die Aussprache
zwischen Marquet und Ges. Brunet, dem franz. Integrationsspitzenmann.
Lipkowski hat diese noch in seinem Schlussbericht festgehalten. Wie
mir Meisl bereits bei seiner Rückkunft mitteilte, hat es hier eine
sehr offene Erklärung von Brunet gegeben, er hat festgehalten, dass
die Wünsche des Patronates auf einen dauernden Ausschluss von sensiblen
Produkten von Quai d'Orsay keinesfalls geteilt wird. Allerdings war
diese eine freimütige Äusserung seinerseits ohne dass er einen dies-
bezüglichen Beschluss bereits hätte. Ich muss überhaupt sagen,
dass mich Meisl über diese Gemischte Kommission unverzüglich nach
seiner Rückkunft bestens informiert hat. Ich bedauere, dass dies bei
Reiterer nicht der Fall ist. Vielleicht allerdings sind auch wir daran
schuld, weil er nicht sofort um einen Termin ansucht oder vielleicht
hat er sogar um Termine angesucht und hat keine bekommen.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte sicherstellen, dass wirklich Reiterer sich
nicht einmal aus formellen Gründen beschweren kann, dass er berichten
wollte und ich hätte dafür keine Zeit gehabt.
Die erste Zusammenkunft mit den Chefredakteuren der Zeitungen und
des ORF zeigte mir, dass auch diese Herren grösstes Interesse haben
zu Arbeitsessen eingeladen zu werden. Der Anlass nämlich die Schwer-
punktprogramm-Kampagne in dem Alkoholverkehrstod auf den Strassen
der eher nichtig war, wurde von mir auch freimütig gleich bei der
Einleitung zugestanden. Die Diskussion und die Anfragen bewegten sich
deshalb auch selbstverständlich auf das Preisgebiet, auf der Integra-
tionspolitik und sonstige interessante Probleme für die Chefredakteure.
Wenn die Chefredakteure solche Zusammenkünfte tatsächlich wünschten,
dann sollte man diesem Bedürfnis nachkommen. Koppe wird sich aller-
dings immer etwas besonders einfallen lassen müssen. Ich kann mir
nämlich nicht vorstellen, dass wir ansonsten in folgendes Dilemma hinein
kommen. Die jetzt mit uns in Verbindung stehenden Redakteure über das
Institut für Gesellschaftspolitik würden sonst das Gefühl haben, sie wer
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den jetzt durch ihre Chefs ausgeschaltet. In diesem Fall würde aber ein
Unbehagen bei ihnen verleiben. Natürlich könnte dann der Chefredakteur
dann trotzdem unsere Pressearbeit durch Weisungen oder Wünsche
zumindestens unterstützen. Wenn man aber die tatsächlichen Arbeiter nicht
auf seiner Seite hat, sondern nur die Chefs, dann wird vielleicht über
uns Gestritten und wir haben nur einen negativen Erfolg. Wenn wir daher
die Chefredakteure zu uns ins Institut laden, muss dies ein besonderer
Grund sein und vor allem den anderen Redakteuren immer das Gefühl geben,
sie werden nicht ausgeschaltet.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Bitte auf dieses Problem ganz besonders achten.
Die von Hanisch organisierte Vortragsreihe Umweltschutz war phantastisch
besucht. Wanke hat ihm sein Adressenmaterial vom Institut für Gesell-
schaftspolitik zur Verfügung gestellt und es wurden tausende Personen ein-
geladen. Trotzdem war de Erfolg, das Saal war bummvoll, überwältigend.
Da – wie wir die Einladung aussprachen und die Vortagsreihe organi-
sierten – nicht das Ministerium für Umweltschutz geschaffen war, habe
ich Dr. Leodolter jetzt als die Chefin herzlichst begrüsst und ich muss
sagen, ich war sehr erstaunt über ihr Verhalten. Viele fürchten, dass
sie sich nicht durchsetzen kann. Diese Befürchtung ist glaube ich unbe-
gründet. Sie hat nach meiner Begrüssung sofort die Führung der Sitzung
in die Hand genommen, dem Prof. Heinrich das Wort erteilt und sich auch
sonst so benommen, als hätte sie die Organisation der Vorträge durchge-
führt. Sie war nur ebenfalls sehr erstaunt und ich habe ihr, damit es
Hanisch auch hört, ihn besonders herausgestrichen, wie tüchtig er ist.
Hanisch meinte nämlich bisher durch eine ökonomische Veranstaltung und
müsste daher ausschliesslich in unserer Kompetenz bleiben. Ich habe ihn
nicht im Zweifel gelassen, dass Umweltschutzfragen in Hinkunft von Frau
Minister Leodolter und nicht mehr vom Handelsministerium in Grundsatzfragen
geführt. Auch wenn es sich um ökonomische Seiten des Problemes handelt.
Er war deshalb ein bisschen erschüttert. Als Ausgleich dafür kriegt er
jetzt Winterleitner, der sich durch eine Diskussion im Kummer-Institut
als Sektionsrat des Handelsministeriums durch den Rundfunk vorstellen
liess, der sehr aggressiv gegen die Handelskammerinteressen d.h. gegen
die Unternehmer in dieser Frage vorging. Ich bin neugierig, ob die Handels-
kammer auf diese Aktion von Winterleitner reagiert, d.h. ob sie sich
bei mir beschweren kommt. Wenn Winterleitner auch nur annähernd wie die
Berichterstattung sagte, die Unternehmer derartig attackiert hat,
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müsste die Handelskammer, wenn sie nicht parteipolitisch sich einer
besonderen Zurückhaltung auferlegt, sich mit dem Verhalten Winterleitners
auseinandersetzen. Wir selbst haben jetzt einen guten Grund, nachdem
er sich erstens so exponiert hat, ihn in den Umweltschutz auf alle
Fälle zuzuteilen, Hanisch bekommt in ihm dann endlich die ge-
wünschte Unterstützung durch einen Referenten.
Gen.Direktor Bauer berichtete mir, dass er mit Ratti von der ENI gesprochen
hätte, dass die Italiener nicht 6 Mia. m³ russisches Erdgas durch die
planende und zu bauende Leitung schicken wollen, sondern bestrebt sind
um 4 Mia. mehr für Italien zu bekommen. Darüber hinaus würden die Franzosen
noch 2,5 Mia. m³ und Österreich 1,5 bis 3 Mia. m³ zusätzlich benötigen.
Das ergebe eine Dimensionierung der Leitung auf 14–15 Mia. m³.
Die Jug., die ursprünglich ebenfalls 2,5 Mia. wünschten, scheiden aus, da
sie nicht imstande sind, die notwendigen finanziellen Mittel den
Italiener zu bezahlen. Nun hat aber Sacchi von der SNAM nur ihm mitge-
teilt, dass 6 Mia. in Betracht kommen. Bauer vermutet, dass es sich hier
um eine Taktik handelt, damit die SU es fürchtet, dass wirklich nur
die Leitung mit 6 Mia. m³ Durchsatz gebaut wird und dann Österreich und
den anderen, die sich um russisches Erdgas bemühen, ihre Zusagen
auf Lieferungen schneller machen werden. Ich weiss nicht, ob tatsächlich
eine solche Absicht der Italiener besteht und ich weiss schon gar nicht
ob die Russen auf ein solches Manöver überhaupt reagieren. Bauer ist
auch meiner Meinung und hat deshalb angefragt, ob nun die ÖMV, obwohl
noch keine endgültigen Zusagen der Russen vorliegen, bei der Dimensionie-
rung der Leitung sich doch mit gewissen Prozentsätzen einkaufen müßten.
Jeder Prozentsatz kostet ihnen 5 Mio. S pro Jahr. Maximalst würde 13 %
Anteil Österreich in Frage kommen, was 65 Mio. S pro Jahr für die ÖMV
bedeutet. Die ÖMV möchte nun wissen, ob sie ein solches Risiko eingehen
soll. Ich erklärte, daß dies natürlich in der endgültigen Entscheidung
bei dem Vorstand resp. Aufsichtsrat der ÖMV liegt, daß ich aber vollstes
Verständnis dafür habe und überall vertreten würde und werde, daß die
ÖMV sicher mit einem gewissen Prozentsatz bei dieser Leitung einkauft.
Es steht für mich außer Zweifel, daß wir sicher mit einer sicheren Gas-
menge aus der UdSSR werden rechnen können.
Über die Versorgung von Westösterreich mit Produkten ergibt sich jetzt
folgendes Problem. Die ÖMV hat die amerik. Firma Pechtl mit 6,5 Mio. S
beauftragt ein Projekt für eine Produktenleitung nach dem Westen zu pro-
jektieren. Mit den internat. Ölgesellschaften hat Bauer gesprochen und
erklärt sie wären bereit, Kosten auf 20 Jahre mit entsprechenden Gleit-
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klauseln zu vereinbaren. Außerdem könnte er sich sehr gut vorstellen,
daß die internat. Ölgesellschaften an der Produktenpipeline ähnlich
der AWP eine 49 %-ige Beteiligung haben könnten. Die westl. Ölge-
sellschaften haben dagegen die Absicht, insbesondere Shell ist ja
Spitze, eine entsprechende Produktenpipeline von Ingolstadt nach West-
österreich zu führen. Bauer meinte, ob ich aus Neutralitätsgründen
nicht eine solche Leitung verbieten könnte. Ich erklärte sofort, daß
dies vollkommen unmöglich sei, da aus Neutralitätsgründen man im
Gegenteil sagen müßte, Österreich sollte sich von den verschiedenen
Staaten die entsprechenden Rohöle und Produkte sichern, da nur so eine
Abhängigkeit von einer Seite ausgeschlossen ist. Bauer wird, wenn die
entsprechenden Unterlagen vorliegen, mich am laufenden halten und so wie
mir auch Mieling von der Shell versprochen hat, wenn sie sich dann end-
gültig geeinigt haben, das Projekt im Detail vorlegen.
Tagesprogramm, 26.1.1972
Sektionsleiterbesprechung, 26.1.1972
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