Dienstag, 28. September 1971
Gen.Direktor Hajek von der Anglo-Elementar ist jetzt auch
Präsident des Instituts für Verkehrssicherheit. Er ersuchte mich,
ob ihm das Handelsministerium eine Möglichkeit verschaffen könnte,
das Bundeswappen im Titel, d.h. im Kopfpapier des Kuratoriums
zu führen. Er hatte dafür ein sehr gutes Argument, das Emblem sieht
dem ÖAMTC-Emblem sehr ähnlich. Im Kuratorium für Verkehrssicherheit
war bisher der ÖAMTC nicht nur führend tätig, sondern Dr. Veith,
der Generalsekretär war gleichzeitig auch der Geschäftsführer. Dr.
Harmer vom ÖAMTC war gleichzeitig auch der Präsident des Kuratoriums.
Die Versicherungen, die Dutzende Millionen in dieses Kuratorium
gezahlt hatten, hatten sich allerdings im Laufe der letzten Jahre
mit dem ÖAMTC und teilweise auch mit dem ARBÖ so zerstritten, dass
sie nicht mehr bereit waren, die Finanzierung des Technischen Dienstes
der Kraftfahrverbände über das Kuratorium zu bezahlen. Deshalb haben
sie die Organe, das ist der Geschäftsführer und das Präsidium sowie
den Vorstand, so gewechselt, dass sie jetzt die Majorität besitzen.
Anders sieht es in der Generalversammlung aus, wo die Statuten seiner-
zeit so erstellt wurden, dass diese nur mit Zustimmung des ÖAMTC
geändert werden können. Hajek wies darauf hin, dass sie damals reich-
lich naiv gewesen sind, so etwas überhaupt zu akzeptieren.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte den Wunsch des Kuratoriums auf Führung des
Staatswappens unbedingt versuchen durchzudrücken. Als ich das letzte
Mal mit Hajek die KFZ-Versicherungsprämien ausgehandelt habe, erkun-
digte ich mich wie sich der Schadensverlauf ändert. Hajek erklärte,
noch immer seien die Sachschäden mit 2/3 im Ansteigen begriffen und er
hätte eine Überlegung, die er sich aber noch nicht zu verwirklichen
getraut.
Untersuchungen, die die Versicherungen angestellt haben, hatten jetzt
gezeigt, dass die grösseren Reparaturwerkstätten wesentlich höhere
Kosten haben, aber auch höhere Kosten natürlich verrechnen müssen als
die kleineren Betriebe. Hajek beabsichtigt nun und er fürchtet von
der Handelskammer den grössten Widerstand, irgendwelche Aktionen zu
starten, um Facharbeitern die Möglichkeit zu verschaffen, sich selb-
ständig zu machen und kleinere Reparaturwerkstätten einzurichten.
Ich erklärte sofort meine grösste Unterstützung dieser Aktion. Ich
sehe darin eine Mittelstandspolitik, die wirklich zielführend
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sein kann. Mit den Reparaturgewerben hat der kleine Betrieb
die wesentlich grössere Chance durch die unrationellen und oft
sehr hohen festen Kosten ergibt eine wesentlich Belastung der
Konsumenten, während in der Industrieproduktionsbranche ein
kleinerer Betrieb, ja nicht einmal ein Mittelbetrieb Chancen
hat, zu überleben, gilt für den Reparatur- und Dienstleistungs-
betrieb genau das Gegenteil. Ich bin mir allerdings vollkommen
klar, dass diese Betriebswirtschaftliche Erkenntnis, die jetzt
auch durch Ziffern untermauert wird, vom gewerkschaftlichen Stand-
punkt aus zweifelsohne sehr negativ zu beurteilen ist. In einem
mittleren und Kleinbetrieb ist die Organisation der dort Beschäftig-
ten sehr schwer, wenn nicht gar unmöglich.
Im Ministerrat teilte Kreisky strengst vertraulich mit, dass
Mindszenty, der ungarische Kardinal, der seit der Revolution
in der amerikanischen Botschaft im Asyl lebt, nach Rom reisen
wird. Weihs meinte, er würde mit dem Flugzeug über Österreich
fliegen. In diesem Fall bin ich überzeugt, hätte man doch
überhaupt nicht den Bundeskanzler verständigt. Ich bemerkte, ohne
dass es natürlich Kreisky hörte, diese streng vertrauliche Mit-
teilung wird sicherlich sehr bald im Kurier stehen. Ich bin auch
überzeugt, dass Kreisky diese Mitteilung im Ministerrat nur machte,
um irgendwie einmal dem Ministerrat ein bisschen den Anstrich
von einer Ministerratssitzung zu geben. In Wirklichkeit ist
diese Regierungsform längst überholt, zumindestens in einer
monochromen Regierung. In der eineinhalbjährigen Tätigkeit wurde
kein einziges Mal in der Regierungssitzung ein entscheidendes
Problem besprochen oder gar eine Differenz ausgetragen. Grosse
Differenzen hat er wirklich bis jetzt keine gegeben, was für mich
eigentlich beängstigend ist, da ich auf dem Standpunkt stehe,
es müsste doch auch eigentlich Interessensgegensätze stärker
aneinanderkrachen. Jeder Minister – und das hängt jetzt von der
Stärke des Einzelnen ab – führt seine Geschäfte, ohne sich eigent-
lich um die Rückwirkungen auf ein anderes Ressort zu kümmern.
Kreisky selbst hat sehr geschickt bis jetzt keine lenkende Hand
in den einzelnen Ressorts. Da kooperiert er glaube ich insbesondere
nur mit dem Finanzminister.
Ein typisches Beispiel dafür ist die Bädersubvention. Gratz
teilte mir mit, dass er einen Sportstättenplan und ein Sport-
stättenbaukonzept hat, in welchem auch Bäder einbezogen sind.
Ihm stehen dafür 15 Mio. S zur Verfügung. Darüber hinaus kann
er aber mit Gemeinden, die ein Bad errichten, Verträge abschlies-
sen, wo er für seine Schüler entsprechend den Betriebsstunden
die sie in dem Bad sind, Betriebskostenanteile vertraglich über-
nimmt. Bezahlt wird diese Miete aus Schulbaukrediten. Mit der
Überlegung, dass dadurch der Staat sich eigene Hallenbäder er-
spart zu bauen. Da die Subvention, die Gratz geben kann, ein
Vielfaches dessen beträgt, was wir für Bädererrichtung zur Ver-
fügung stellen könnten, ist es glaube ich sehr sinnvoll, dass
wir uns wirklich im Einvernehmen nur mit dem Unterrichtsmini-
sterium an die Bädererrichtung wagen. Wir können den Gemeinden
wirklich nur einen Bruchteil der Mittel zur Verfügung stellen,
die Gratz geben kann. Wenn nicht in der Kronenzeitung durch
Zufall gestanden wäre, dass wir uns angeblich jetzt die Bäder-
kompetenz aneignen wollen, hätte ich von dieser Aktion niemals
etwas erfahren.
Ein weiteres Beispiel für die Kreisky-Methode ist ein Besuch der
Firma Kardex. Dieser Klagenfurter Betrieb hat einen Verkaufs-
manager, der aber gleichzeitig auch sehr geschickt sein dürfte,
Verbindungen herzustellen. Kreisky rief mich nämlich und er-
suchte mich um einen sofortigen Termin für den Mann, der bis
in sein Büro vorgedrungen war. Die Firma erzeugt für die Zahnprote-
sen ein Füllmaterial, welches durch eine zweckmässigere Ein-
spritzung dieses Material mit Hilfe von Injektionen vielleicht
wirklich einen Fortschritt in der heute noch meistens händisch
gekneteten Abdruckmasse bringen könnte. Die Firma benötigt aber
einen Dutzend Millionen Kredit, oder, wie sich der Mann aus-
drückte, eine entsprechende Subvention. Ich machte keinerlei
Zusagen, sondern lehnte im Gegenteil die letzte Möglichkeit voll-
kommen ab. Bezüglich einer Absatzgarantie habe ich versprochen,
dass wir uns mit dem Sozialministerium ins Einvernehmen setzen
werden und ebenfalls mit dem Hauptverband für Sozialversicherungs-
träger, Dr. Dragaschnig. Dr. Grumbeck, der der Besprechung zu-
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gezogen wurde, glaubte eine Lösung darin zu sehen, dass im Bauten-
ministerium aus dem Forschungsfonds Mittel dafür bereitgestellt
werden könnten. Hier zeigte sich, dass Grumbeck unter allen Um-
ständen bestrebt war, mir zu helfen, obwohl ich ihm sofort vor dem
Mann beweisen musste, dass das vollkommen unmöglich ist. Die For-
schungsmittel des Bautenministeriums, die rund 50 Mill. S betragen,
können für alle möglich Objekte herangezogen werden, soweit sie
nur im entferntesten mit dem Bauen zu tun haben. Die Richtlinien
sind sehr grosszügig angelegt, doch da diese 1-%ige Dotierung des
Fonds aus den Wohnbauförderungsmitteln erfolgt, muss es – und selbst
wenn es sich nur um Untersuchungen über Teppiche handelt – irgendwie
etwas mit Bauten und Einrichtungen zu tun haben. Der Vertreter der
Firma Kardex ist zu Kreisky gekommen, indem er ihn vor etlichen Jahren
einmal irgendwo gehört hat und nun das Gefühl gehabt hat, er könnte
sich an den Bundeskanzler wenden, er würde ihm sicher helfen. Zu
meiner grössten Verwunderung hat Kreisky sich tatsächlich die Zeit
genommen und sein Büro hat es nicht verstanden, den Mann weiterzu-
reichen, ohne dass der Bundeskanzler damit beschäftigt werden musste.
Vielleicht allerdings tue ich seinem Büro unrecht und er will mit
allen Leuten, die zu ihm kommen selbst sprechen. Ich würde mich
nicht wundern, wenn er nach einigen Monaten, wenn er von dieser
Firma neuerdings angesprochen wird, rückfragt, wie weit man die An-
gelegenheit weitergetrieben hat.
Im Rotary-Club Wien konnte ich bei Anwesenheit einiger Generaldirektoren
wie von Philips und von WSW Dr. Igler von der Bank und Sieghartsberger
vom Atomforschungsinstitut, die anderen Diskussionsredner kannte ich
nicht namentlich, einen guten Vortrag und Diskussion starten. Dr. Anglian
hatte mich vor Monaten eingeladen und es traf sich sehr gut, dass
dieses Meeting jetzt vor der Wahl stattfand. Natürlich spielte meine
Vergangenheit und ganz besonders meine jetzige Funktion als Sozialist
und Gewerkschafter, der gleichzeitig Industrie, Handel und Gewerbe
vertreten soll, eine grosse Rolle. Ich bin aber überzeugt, dass mir
– da ich in aller Offenheit über dieses Problem diskutierte – es gelang,
die Teilnehmer davon zu überzeugen, dass sie unter der soz. Regierung
unter einem Gewerkschaftler als ihren Minister auch nicht schlechter
fahren als in den vergangenen Zeiten. Die Leute, die schon etwas mit
uns zu tun gehabt haben, bestätigten sogar im Gegenteil, dass es
jetzt wesentlich besser sei.
Die Information der Interessensvertretungen über das Neutralen-
treffen benützte ich, um neuerdings den Interessensvertretungen
zu versichern, dass sie zu allen Problem Stellung nehmen könnten
und ich grössten Wert darauflege, mit ihnen Übereinstimmung zu
erzielen. Gleichzeitig liess ich mir zumindest durch Kopf-
nicken bestätigen, dass auch sie die Meinung teilten, es hätte
gar keinen Sinn, wenn ich jetzt nach Brüssel fahre, sondern ich
müsste ein sehr genaues Timing einhalten und wirklich nur dann
nach Brüssel fahren, wenn entsprechende Notwendigkeiten bestehen.
Ich verband das insbesondere mit dem Hinweis, dass ich der Büro-
kratie, also meinen Beamten, grösstes Vertrauen entgegenbringe,
dass sie selbst imstande sind, die maximalste Verhandlungsführung
jetzt in Brüssel zu erreichen. Da die Sitzungsteilnehmer meine
Meinung teilten, hoffe ich in Hinkunft Angriffe von Schleinzer
in dieser Frage leicht abwehren zu können.
Bei der Eröffnung der inoffiziellen Gespräche mit Vertretern der
BRD erklärte ich die positiven Seiten dieser Verhandlungen. Es
könnte sonst der Eindruck entstehen, dass wir nur mit den Ost-
staaten verhandeln und dadurch uns einseitig orientieren. Gerade
diese inoffiziellen Gespräche sollen aber zeigen, dass wir
grössten Wert darauf legen mit der BRD guten Kontakt zu haben.
In der Erwiderung hat der Delegationsleiter von Schiller schein-
bar beauftragt, ganz besonders darauf hingewiesen, dass die BRD
sehr erfreut ist, dass das Kernkraftwerk in Österreich von
deutschen Firmen errichtet wird. Nahe der Einleitung musste ich
wieder zur Information der Interessensvertretungen zurückkehren,
um dann nach deren Ende mich wieder zu der BRD-Verhandlung zu setzen.
Als ich zurückkam, war Reiterer sowie ich bereit, sich in die
letzte Reihe zu setzen, ich bemerkte zu Krywult, der dann auch
hinüberkam, dass eine solche Vorgangsweise, bevor wir ins Ministerium
gekommen sind, vollkommen undenkbar gewesen ist. In einem solchen
Fall wäre selbstverständlich auch bei meinem Wiedererscheinen und beim
Erscheinen des Sektionschefs die Delegation aufgebrochen , hätte dann
wahrscheinlich sofort die Plätze im Präsidium geräumt und auch dann,
wenn weder Reiterer noch ich das Wort ergriffen hätten, wären wir dort
placiert geworden. Sicherlich war auch die deutsche Delegation
über unser legeres Verhältnis einigermassen überrascht. Ich hoffe
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aber, dass unsere Arbeitsmethode und unser Arbeitsstil im
Ministerium mindestens von den jüngeren aktiveren Leuten
positiv aufgenommen wird und dass sogar gegenüber den anderen
Ministerien und vielleicht sogar gegen ausländische Delegation
der Eindruck entsteht, hier wird nach sachlichen Gesichtspunkten
die Arbeit eingeteilt und auch nach sachlichen Gesichtspunkten
die Rangordnung festgesetzt und nach sachlichen Gesichtspunkten
Verhandlungen geführt, ohne dass ein Prestigestandpunkt massgebend
ist.
Das Donaueuropäische Institut hat mich routinemässig zu einer
Sitzung eingeladen. Ich hatte noch niemals an einer Tagung oder
Sitzung dieses Instituts teilgenommen. Da aber Mitterer ein Referat
über die Handelskammer hielt, entschloss ich mich, als Zuhörer
teilzunehmen. Kaum war ich in dem Saal und hatte mich rückwärts
placiert, erschien Mitterer, um mich zu sich in sein Zimmer zu
bitten, wo Bock, der Präsident des Donaueuropäischen Instituts,
und der Generalsekretär mich besonders begrüssten. Ich glaube sie
waren sehr überrascht, dass ich an dieser Sitzung teilgenommen
hatte, noch mehr natürlich überrascht, dass ich vorher nicht
mein Kommen angekündigt hatte. Der Vortrag war ganz interessant,
soweit sich Mitterer nicht wortwörtlich an das Manuskript hielt, war
er sogar durch seine temperamentvolle Vortragsweise wirklich
angenehm anzuhören. Mitterer kritisierte ein bisschen die Laxheit
in der Öffentlichkeitsarbeit. Er wies insbesondere darauf hin,
dass der Gewerkschaftsbund und die Arbeiterkammer – wie er sich
ausdrückte – die anderen Gruppen wesentlich weiter in dieser
Frage sind. Er selbst wird deshalb jetzt durch Pressekonferenzen
und durch eine sehr intensive Öffentlichkeitsarbeit versuchen,
hier gleichzuziehen. Er hat auch in der Handelskammer einen
Ombudsmann eingerichtet, der alle Beschwerden, die an ihn
kommen, unbedingt weiter verfolgen und womöglich positiv er-
ledigen muss. Er selbst hat auch einen Sprechtag eingeführt,
wo sich jeder Gewerbetreibende an ihn wenden kann.
Da ich eine Parteiveranstaltung im 3. Bezirk hatte, kam ich erst
sehr verspätet zum Opernbesuch meines Gastes vom Brasilien. Heindl
hat mir zwar die Nummer der Loge gesagt, aber weder ob es im
Parterre, 1. oder 2. Rang ist. Die Organisation ist alle, ich
konnte deshalb natürlich meine Frau und den Gast nicht finden.
Tagesprogramm, 28.9.1971
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