Dienstag, 13. Juli 1971
Im ÖGB-Bundesvorstand gab Benya einen Kurzbericht über die wirt-
schaftliche Lage und ging insbesondere auf die Preissituation ein.
Altenburger, der Vertreter der christlichen Fraktion, der in den
vergangenen Jahren insbesondere unter der monocoloren ÖVP-Regierung
immer wieder auf die Angriffe der Kommunisten repliziert hat, hatte
diesmal als erster Debattenredner sofort die Regierung und insbesondere
aber die Verteidigungspolitik des Gewerkschaftsbundpräsidenten ange-
griffen. So ändern sich die Zeiten. Er argumentierte allerdings sehr
ungeschickt, da er in Wirklichkeit die Arbeiterkammer und den ÖGB an-
griff, dass die Indexziffern nicht stimmen und die AK und der ÖGB sich
früher dagegen immer ganz entschieden ausgesprochen hatten. In Wirklich-
keit hat niemand den Index und deren Berechnung jemals in Zweifel
gezogen. Erst jetzt beginnt die ÖVP eine solche Kampagne und Alten-
burger glaubt damit ein gutes Argument zu besitzen.
Im Klub erzählte mir Blecha, dass er bei der letzten Verhandlung über
die Heeresreform am Freitag, spät nachts, ohne mit dem Finanzminister
Kontakt aufzunehmen, ja selbst ohne einen Vorstandsbeschluss des Klubs
zu haben, eine Prämie für die 7 1/2-Monat-Soldaten in der Höhe von
3.– S vorgeschlagen hat, die auch dann tatsächlich beschlossen
wurde. Dadurch bekommen diese Soldaten 32 Mio. S, für die jetzt Lütgendorf
eine Bedeckung suchen muss.
In der gestrigen Ministerratsvorbesprechung, wo ich weggehen musste,
hat Lütgendorf auch noch diesen Bedeckungsvorschlag mit Androsch ver-
handelt. Da Androsch auf dem Standpunkt steht, er kann die 32 Mio.
nur dann ihm bezahlen, selbst wenn er auch aus eigenen Budgetposten dies
auftreibt, wenn ein diesbezüglicher Ansatz existiert, den er mit
25 % überschreiten könnte. Wenn dies nicht möglich ist, müsste ein
eigenes Gesetz dafür kommen. Die Prämie soll aber bereits bis
1. Oktober ausbezahlt werden.
Lütgendorf berichtete gestern auch, dass es nicht möglich ist, die Saab,
die wir aus Schweden übernehmen müssen, nach Pakistan weiter zu verkau-
fen. Ausserdem hätte er ein Projekt einer Pulverfabrik in Österreich,
und zwar handelt es sich um dasselbe Werk, das bereits Mussil in Zwettl
von mir unterstützt haben möchte, an dem sich 25 % die SU beteiligen
würde. Das Pulver selbst würde teilweise nach dem Ostblock exportiert
06-0866
werden. Damit könnte in der Nähe von Zwettl eine Fabrik mit 3–400
Beschäftigten errichtet werden.
Beim letzten Bericht über die OECD hat Veselsky angekündigt, dass es
möglich sein würde und wahrscheinlich ist, dass Österreich in die
Arbeitsgruppe III der OECD, die sich mit Währungsfragen beschäftigt,
aufgenommen wird. Jetzt musste er mitteilen, dass dies nicht möglich sei,
das angeblich – wie mir Kirchschläger mitteilte – zu ganz grossen Diffe-
renzen wieder zwischen Kreisky und ihm führte, der ihm vorwarf, dass er
zuerst immer alle Sachen gross anlegt, die er dann letzten Endes nicht
verwirklichen kann.
Kreisky berichtete im Klub aus, dass Bosse vom Statistischen Zentral-
amt jetzt eine Pressekonferenz machen wird, die er nicht mehr verbieten
kann und will, wo dieser mitteilt, dass aus Wien drei Mandate
und aus NÖ ein Mandat in die westlichen Bundesländer auf Grund der Volks-
zählung 1971 abwandern würden. Hobl meldete sich und kritisierte, dass
jeder Sektionschef scheinbar seine eigenen Pressekonferenzen machen
kann. Hier schnappte natürlich Kreisky sofort ein und meinte, man müsse ihm
dies schon überlassen und wenn er die Pressekonferenz verbieten würde,
würde dies trotzdem bekannt und letzten Endes nur dem Image der Partei
schaden.
Interessant ist, dass jüngeren Abgeordneten, die erst jetzt das erste
Mal im Parlament sind – Hobl, Schieder – richtiggehend aufbegehren.
Ein zukünftiger Ordner wird es sehr schwer haben, mit diesen Leuten aus-
zukommen. Vielleicht aber bemerke ich das nur, weil ich am untersten
Ende des Tisches sitze und sich dort die Leute zu meckern trauen als
vorne bei der Hautevolee.
Im Ministerrat berichtet Kreisky, dass er das Ausschreibungsgesetz für
die öffentlichen Posten jetzt in die Begutachtung schicken wird. Die
Begutachtungsfrist für dieses Gesetz wird bis 30.9. festgelegt und
in der Staatsdruckerei werden die Exemplare gratis abgegeben.
Ausserdem möchte er eine Pressefassung verschicken. Neu ist, dass
in der Begutachtungskommission die der Minister vor der Besetzung eines
Dienstpostens auch eines Abteilungsleiters zu befragen hat, 2 Personal-
vertreter, 2 Gewerkschaftsvertreter und 1 Vertreter des Ministers vorge-
sehen sind.
Im letzten Ministerrat war vorgesehen, dass das Figl-Denkmal,
welches die ÖVP-Regierung dem nö. Landeshauptmann Maurer zugesagt
hat und erst mit 300.000 S bezahlt war, durch Ergänzung mit 700.000
S die seinerzeitige Zusage der ÖVP erfüllt wird. Dies unter der
Bedingung, dass gleichzeitig 1 Mill. S auch für eine Schärf-Gedächt-
nisgabe ergänzt wird. Kreisky will nun, dass sowohl für Figl wie
auch für Schärf ein Österreich-Buch, welches im Styria-Verlag erschei-
nen soll und wo die Frau des Univ.Prof. Weinzierl mit einer ganzen
Reihe von Mitarbeitern zeichnet, und das über 1.000 S kostet, durch
einen Ankauf von etlichen hundert Exemplaren finanziert werden soll.
Kreisky will nun, dass sowohl die nö. Landesregierung auf 250.000
gemeinsam damit dem vorgesehenen Millionen-Posten vom Schärf-Fonds
verzichtet, damit dieses Buch gedruckt werden kann. Ich bin neugierig,
ob Maurer auf eine solche Kürzung eingeht.
Der Integrationsbericht löste eine verhältnismässig flaue Debatte
aus. Da keinerlei Möglichkeiten bestanden, die Regierung ernstlich
anzugreifen, wurde wieder das alte Steckenpferd, ich möge mich mehr
um die Integration kümmern, da der wirtschaftspolitische Ge-
sichtspunkt der entscheidende wäre und nicht der aussenpolitische
herausgestrichen. Czernetz ritt wieder auf seinem alten Steckenpferd,
dass das europäische Parlament keine Kontrolle über den EG-Rat oder
die Kommission hat. Im Budgetrecht beschliesst das europäische Parla-
ment nur 5 %, 95 % beschliesst der Rat und hat Milliarden Dollarfonds
zu seiner Verfügung. Ausserdem seien gegenüber 100 Beamten der EFTA
derzeit 5.200 in Brüssel und würden nach dem Englandbeitritt mindestens
auf 7.500 ansteigen. Mitterer kritisierte wieder, dass Ausnahmen
für Papier und Stahl vorgesehen seien mm das nicht stimmt und obwohl
ich ihn bereits in der Ausschussitzung aufmerksam gemacht hatte.
Scrinzi trauerte wie immer der Tatsache nach, dass Österreich nicht
der EWG vor Jahren schon beigetreten ist. Er behauptet, dass Hallstein
im Jänner 1960 diesbezügliches Beitrittsanbot der Regierung gemacht
hätte und Bock in Bonn erklärt hätte, zum Beitritt gehören zwei und
damit die Kommission – wie er sich ausdrückte – vor den Kopf gestossen
hat. In Wirklichkeit – so erzählte mir Reiterer – hätte damals der
Kabinettchef Moser nur dem Nemschak eine Botschaft nach Wien mitge-
geben und keinesfalls wäre von der Kommission ein wirkliches Anbot ge-
kommen. Darüber hinaus hätte die Kommission auch gar nichts zu bestimmen
06-0868
gehabt, wie sich ja jetzt genau herausstellt, sondern Hallstein hat
wahrscheinlich nur über seine Grösse geredet. Wenn diese Mitteilung
tatsächlich stimmt und zutrifft, ist mir erklärlich, warum Nemschak
dann immer in den vergangenen Jahren als so grosser Verfechter der EWG
aufgetreten ist. Wahrscheinlich hat er sich damals als Geheimdiplomat be-
trachtet, der die entsprechenden entscheidenden Fäden geknüpft hat.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte, die Angelegenheit zu untersuchen, da dies der
Schlüssel zur Erklärung sein kann, warum Nemschak so einseitig für die EWG
eingetreten ist.
Karasek kritisierte, dass der Agrarmarkt ausgenommen ist und dass insbeson-
dere auch auf das Interimsabkommen nicht verzichtet werden soll. Wie gut,
dass ich bei der interministeriellen Besprechung mit Gewalt darauf beharrt
habe, dass in unser Interventionsprogramm der Botschafter bei den 6 EWG-
Staaten darauf hingewiesen wird, dass nach wie das Interimsabkommen für
die Bundesregierung von Interesse ist. Ich konnte deshalb bei der Urgenz
Karaseks, dass man jetzt Schritte unternehmen müsste, auf diese Tatsachen
hinweisen. Koller benützte den Integrationsbericht um gleichzeitig wieder
über das schlechte Abschneiden der Landwirtschaft bei dieser Regierung zu
diskutieren. Kirchschläger replizierte gegen alle diese Vorwürfe insbeson-
dere, dass man ihm unterschieben wollte, er wollte gar keine bessere Lö-
sung, nachdem er einmal gemeint hat, vom neutralitätspolitischen Stand-
punkt sei der Vorschlag der Kommission an den Rat als ideale Lösung zu
betrachten. Zusammenfassend möchte ich zu dieser Phase sage, dass es ein
grosser Fehler war, dass kein, wenn auch nichtssagender Bericht bereits
im ersten Halbjahr unsere Regierung dem Parlament zugeleitet hat. Dass wir
aber dann ein sehr umfangreiches Material, das sogar ausserhalb der Ge-
schäftsordnung von der Opposition anerkannt werden musste, von mir ihnen
zur Verfügung gestellt werden konnte. Reiterer selbst hat sich ja
bekanntlicherweise nur sehr ungern dazu entschlossen, weil er noch immer
glaubt, es ist am zweckmässigsten, alles recht vertraulich bei uns zu be-
lassen und dann halt gelegentlich, wenn der Vertrag bereits abgeschlossen
ist, dem Parlament halt zur Beschlussfassung vorzulegen. Ich glaube, dass
gerade in nichtssagenden Berichten Andeutungen enthalten sein können, die
dann, wenn sich einmal die Notwendigkeit in einigen Monaten oder sogar
Jahren ergibt, als Grundlage gelten können, dass man sagt, das oder jenes
hätte man damals bereits dem Parlament – wenn auch verschlüsselt – viel-
leicht für viele gar nicht zu erkennen, mitgeteilt. Ich werde deshalb
in Hinkunft darauf drängen, dass wirklich wesentlich mehr Berichte an
den Integrationsausschuss abgegeben werden.
Landesrat Müller mit Komm.Rat Ganahl und dem Geschäftsführer Dr. Guth
von der Vorarlberger Ferngasgesellschaft und die ÖMV mit Gen.Dir. Bauer
techn. Direktor Mackowski, dem Geologen Dr. Kröll und und dem Rechts-
mann Dr. Russwurm besprachen die Förderzinsfrage die Konzessions-
interessen der ÖMV in Vorarlberg. Durch ein technisches Versehen
wurden die Vorarlberger in mein Ministerium bestellt an stelle ins
Parlament. Im Parlament wieder wurde ihnen nicht gesagt, dass die Sitzung
im Parteiklubsitzungssaal des Vorstandes der SPÖ stattfindet.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte in Hinkunft besser die Einladung und
zeitgerecht wenn möglich den Betreffenden mitteilen.
Bei dieser Sitzung wollte nun insbesondere Komm.Rat Ganahl, dass ich
ihnen wieder eine Ermässigung des Förderzinses auf 20.000 S von
394.000 S zugestehe. Seinerzeit hat die Oberste Bergbehörde den Flächen-
zins, wie ihn das Gesetz vorsieht, mit einem Vertrag mit der Ferngas
festgelegt, aber Bock hat dann in einer Weisung, die allerdings fürchte
ich gar nicht mehr aufzufinden ist, nur mehr 20.000 S bezahlen müssen.
Mitterer hat nun am 21. April 1970 – also einen Tag, bevor wir das Geschäft
übernommen haben – einen Akt unterschrieben, wonach in Hinkunft – da
nun die ÖMV ebenfalls Interesse hatte, eine Konzession dort zu erwerben
wenn die Ferngas dafür nicht mehr in Frage kommt – der Förderzins
eben so hoch festgesetzt. Landesrat Müller hat deshalb die OB, sowohl
Min.Rat Gasser als auch insbesondere die Abteilung 37, ganz hart ange-
griffen. Die OB erklärt, dass der seinerzeitige Beschluss diese Ermässi-
gung des Flächenzinses auszusprechen, gegen Recht und Gesetz war und
vor allem einmal eine eindeutige Vertragsbevorzugung der Vorarlberger
vorsieht, die durch keinerlei Vertragsbestimmungen auch nur gedeckt
ist.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Ich verlangte von der OB einen vollkommenen genauen
Bericht mit Aktenvorlage.
Insbesondere wurde Min.Rat Mayer von der OB von den Vorarlbergern ganz
hart attackiert, weil die glauben, dass er daran schuld ist, dass
dieser Akt von Mitterer noch unterfertigt wurde. Mayer selbst und Gasser
erzählten mir später, dass tatsächlich vom ÖVP-Klub am 21.4. angerufen
wurde, und sie gefragt wurden, ob er noch in so kurzer Zeit – der Akt,
der damals angelegt wurde, wurde in einem Zug von Nimmervoll bearbeitet,
Mayer gezeichnet, Gasser dem Mitterer vorgelegt und Mitterer fragte nur,
ob dies der Rechtslage entspräche – und wurde dann sofort von ihm
paraphiert. Ich vermute, dass sie fürchteten, früher oder später würde
06-0870
ich auf diese Sauerei draufkommen, dass hier einer Gesellschaft ein
einmaliger Vorteil zugewendet wurde. Ich habe Androsch über den Wunsch
in Kenntnis gesetzt und wir kamen überein jetzt einmal nichts zu
machen, da ja im September Verhandlungen zwischen der Ferngas und der
ÖMV über eine Lösung stattfinden.
Im Bezirkspräsidium und dann im Ausschuss hatten wir eine Diskussion
insbesondere wegen der zukünftigen Mandatsaufstellung. Die Gewerk-
schaftsfraktion im dritten Bezirk hat bis jetzt immer die dritte Stelle
mit einem Arbeiter besetzt gehabt. Dies war der jahrelange Betriebsrats-
obmann von Siemens, Fenzl. Fenzl wird nun keinesfalls mehr kandidieren
und es ist jetzt klarzustellen, wen die Betriebsratsfraktion vorschla-
gen wird. Die erste Stelle unserer Kandidatenliste wird wieder Waldbrunner
und an zweiter Stelle werde ich nominiert werden. Darüber gibt es überhaupt
keine Diskussion und ich glaube, es wird auch nirgends Schwierigkeiten
geben. Ich habe mit Benya dann zwischen der Präsidiumssitzung und der
Ausschussitzung gesprochen, um zu klären, ob er schon mit Waldbrunner ge-
redet hat, da auch bei der Kandidatur im Vorjahr Oktober Waldbrunner eigent-
lich nicht wollte und nur auf Intervention von Benya und den Gewerk-
schaftsfreunden und letzten Endes auch auf meine Intervention dazu gewonnen
werden konnte. Er selbst wollte aus verschiedensten Gründen bereits nicht
mehr kandidieren. Benya ist nun der Meinung, dass er diesmal unter gar
keinen Umständen sich wird überreden lassen. Trotzdem kamen wir überein,
dass wir Waldbrunner nominieren sollten, damit er sich erstens einmal
freuen könnte, dass der Bezirk nach wie vor jetzt mehr denn je hinter
ihm steht, auch dann wenn er dieses Mandat ablehnt. Waldbrunner selbst
ist ja in den letzten Jahren innerhalb des Bezirkes nicht ganz unumstritten
gewesen, er hat insbesondere damals bei der Olah-Affäre ganz entschieden
gegen einige Genossen ausgesprochen, die die ganzen Affäre sich nicht er-
klären konnten und nur auch damals berechtigte Kritik an der Parteivor-
standhaltung und insgesamt an der gesamten Parteiführung ausgesprochen
haben. Damals haben unsere Genossen verständlicherweise niemals sich
erklären können, dass es innerhalb unserer Parteiführung einen solchen
Streit geben kann, der letzten Endes zum Ausschluss Olahs führen musste.
Waldbrunner war damals in diesen Streit sehr verwickelt und hat natür-
lich dann sehr heftig bei dieser Kritik bei einer Bezirksausschussitzung
und letzten Endes sogar bei einer Bezirkskonferenz reagiert. Dies wurde
ihm natürlich von vielen Genossen dann nachgetragen und er hat dies
auch gespürt. Erst in der letzten Zeit wurden diese Ressentiments aus der
Welt geschaffen. Wenn Waldbrunner wirklich nicht mehr kandidiert, wird
es innerhalb unseres Bezirks schon eine ganz schöne Taucherei geben.
Tagesprogramm, 13.7.1971
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 61. Ministerratssitzung, 13.7.1971
06_0870_03hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)