Freitag, der 26. März 1971

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Freitag, 26. März 1971

Vortrag vor der österr. Handelskammer in der Schweiz.
Das für unsere Begriffe ungewöhnlich sorgfältig vorbe-
reitete Manuskript wurde im Lichte der Erfahrungen mit
den mißtrauischen Schweizer "Pfeffersäcken" noch einmal
überarbeitet. Neben das Loblied auf die Paritätische Kom-
mission, das eher aus österreichischer Sicht als zweck-
mäßig erschien, tritt gleichbedeutend der Appell für
Revision des Österreichbildes. An den Beginn der Ausführungen
tritt der Hinweis auf das gemeinsame Vorgehen gegenüber
der EWG.

Der Vortrag, wer das das Manuskript zunächst als Stichwort-
sammlung und Grundlage einer äußerst konzentrierten Prä-
sentation benützt, entfernt sich spontan immer weiter von
der vorbereiteten Unterlage. Dies wirkt sich zum Vorteil
des Vortrages aus. Wenn die geistige Vorbereitung auf eine
Materie intensiv genug ist, scheint es wirklich verhält-
nismäßig unwichtig zu sein, welche Form die Redeunterlage
hat. Das richtige Material, eingehende Befassung hat nicht
mehr mit der Materie sondern auch mit der Form der Präsentation,
eine übersichtliche Gliederung und Konzentration beim Vor-
trag scheinen bessere Garantien für den Erfolg als irgend-
eine äußere Form der Unterlage. Der Erfolg war in diesem
Fall absolut unbestritten. Eine heikle Aufgabe, bei der
für den Vortragenden wenig zu gewinnen, aber viel zu ver-
lieren war, wurde glänzend gemeistert. Nutznießer wird
möglicherweise der österreichische Kapitalimport sein.

Grund zum Ärger, um nicht zu sagen zur Empörung, bot der
Versuch der österreichischen Handelskammer in der Schweiz
die Pressekontakte zu torpedieren. Wie beim abendlichen
Cocktail in der Residenz des österreichischen General-
konsuls der österreichische Presseattaché in Bern,
Löw, mitteilte, war es bei vergangenen Veranstaltungen der
Handelskammer üblich, über seine Pressekonferenz abzuhalten.



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Eine diesbezügliche zunächst spontan geäußerte Anregung
unsererseits wurde jedoch schon vor Wochen von der Handels-
kammer abgelehnt. Man verwies darauf, daß sich eine solche
Pressekonferenz durch die Möglichkeit einer öffentlichen
Diskussion bei der Veranstaltung selbst erübrige. Dies ist
jedoch keineswegs der Fall, sondern eher ein Grund für die
Presse zu schweigen - nicht nur bei der Veranstaltung, sondern
auch bei der Berichterstattung. Über mein Verlangen wurde
deshalb doch eine Pressekonferenz vorgesehen. Einen Tag vor
der Abreise erfolgte jedoch die Verständigung, daß die
Pressekonferenz unterbleibt. Wir haben dies als Entscheidung
der Gastgeber unwidersprochen zur Kenntnis genommen.
Presseattaché Löw berichtete nun, daß man ihm auf seine
Urgenz, man möge doch eine Pressekonferenz abhalten,
dezidiert erklärt habe, dies wäre beabsichtigt gewesen,
man habe diesen Plan jedoch wegen des Widerstandes und aus-
drücklichen Wunsche des Bundesministers aufgeben müssen.
Man hat also uns erklärt, die Pressekonferenz passe
nicht in die Schweiz, den Schweizern aber erklärt, der
Minister lehne einen Pressekontakt grundsätzlich ab. Was
zuletzt nach dem Mittagessen stattfand, war ein improvisiertes
Pressegespräch, bei dem die wichtigsten Leute fehlten.
Sollte die Veranstaltung in der Schweizer Presse einiger-
maßen gebührende Beachtung finden, so ist dies sicher nicht
das Ergebnis der schweizerischen Handelskammer sondern wäre
offensichtlich gegen diese zustande gekommen.

Der Tag bot dem Minister auch Gelegenheit, die Aufzugswerke
Schlieren zu besuchen, was nicht nur der Bedeutung dieses
Werkes für Wertheim und Paradebeispiel für Kooperation
mit Schweizer Kapital zurückzuführen ist, sondern auch auf
die erstaunliche Härte und Ausdauer von Dr. Thyll, dem
Präsidenten der schweizerischen Handelskammer in Österreich.

Trotz Unterbringung in einem Hotel der internationalen
Spitzenklasse – oder vielleicht gerade deshalb – gibt es
bei der Rückreise bei allen Beteiligten sichtbare Er-
leichterung, der Atmosphäre der schweizerischen Hochfinanz
wieder entronnen zu sein.

Tätigkeit: Präs. Schweizer Handelskammer in Österreich


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Presseattaché österr. Botschaft Bern [1971]


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