Montag, 25. Jänner 1971
Beim Freien Wirtschaftsverband hatte ich Gelegenheit, bei einer
Vorstandssitzung, wo die Delegierten aus ganz Österreich anwesend
waren, über die bisherige Tätigkeit und die politische Arbeit
sowie die zukünftige Arbeit im Handelsministerium zu referieren.
Ich glaube, dass ich schön langsam auch das Vertrauen der Gewerbe-
treibenden gewinne, da sie erkennen, dass ich mich wirklich nur
nach gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten ausrichte. Vorher
hatte ich Gelegenheit, mit dem Präsidenten Kostroun und den
Delegierten des Freien Wirtschaftsverbandes in den Beirat der
Bürges, Wirtschaftsprüfer Mühlbacher, über die Bürges-Aktion
zu reden. Ich hatte Mühlbacher gefragt, ob er bereit wäre, ge-
gebenenfalls in die Bürges als Konsulent oder in irgend ein
anderes Verhältnis einzusteigen. Mühlbacher war damit einver-
standen und so konnten wir dann Kostroun fragen, wie er sich
vorstellt. dass er jetzt diesen Plan unterstützt. Kostroun teilte
mir mit, dass er bereits an die Handelskammer einen Brief gerich-
tet hat und Sallinger darin auffordert, mit ihm über diesen Wunsch,
den er auch bereits im Parlament einige Mal dokumentiert hat,
zu verhandeln. Diese Vorgangsweise trifft sich mit meiner, obwohl
sie eigentlich nicht abgesprochen war und ich werde deshalb
auf Grund meiner Sitzung bei der Vorstandssitzung des Freien
Wirtschaftsverbandes darauf hinweisen, dass ich eine solche Lösung
bei Sallinger urgierend auch dringend für mein Haus benötige. Nur
unter dieser Umständen, werde ich sagen, kann ich die Anforderungen,
die von politischer Seite immer an mich gestellt werden, erfüllen.
Da Kostroun auch der Vorstandssitzung darüber berichtete, glaube
ich, habe ich wirklich an Mandat hier auf Sallinger und Mussil
einen gewissen Druck auszuüben.
Die Naturfreunde-Delegation mit dem Obmann, dem Zentralsekretär
Sperlich, dem Vertreter der VAVÖ, Verband alpiner Vereine Öster-
reichs, sowie Dr. Rainer, den Naturfreunde-Obmann aus Tirol
kamen um über die weitere Subventionspolitik zu sprechen. Sie
waren zuerst ein bisschen enttäuscht, dass wir von ihnen für die
Projekte nur die Subvention geben und nicht mehr so handhaben, wie
das in der Vergangenheit der Fall war. Ich konnte ihnen Aufklärung
dahingehen geben, dass wir eben eine neue Subventionspolitik einge-
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leitet haben. Allerdings hat die Abteilung es ihnen total
falsch ausgerichtet. Sie glaubte, sie mussten nur ein Projekt damit
subventionieren, es traf sich heuer sehr gut, dass das Koschut-
Haus in Kärnten angefallen ist, dadurch konnte ich ihnen auch
im Hinblick auf die 50 Jahre Befreiung Kärntens eine wesentlich
höhere Subvention geben als sie bis jetzt erhalten haben. In Zukunft
müssen sie natürlich keinesfalls nur ein Haus als Subventionsobjekt
angeben. Im Gegenteil wäre es 2.8. sehr zielführend, wenn sie die
Klosettanlagen in mehreren Häusern aus Subventions-Objekt einreichen.
Sie werden einen diesbezüglichen Plan ausarbeiten und dem Handels-
ministerium dann zur Verfügung stellen. Dies passt wieder gut in
unsere Programme bezüglich eines 10-jährigen Investitionsprojektes,
das Androsch ja, im Hinblick auch auf die Infrastruktur und Fremden-
verkehr spielt dabei eine grosse Rolle, aufbauen will. Ich erklärte
ihnen, dass die vorjährige Subvention deshalb höher ausgefallen ist,
weil es uns geglückt ist, ohne dass wir eine Weisung der Abteilung
geben mussten, dass sie den Verteilerschlüssel wesentlich geändert
hat. Während in den vergangenen Jahren die Naturfreunde nur 240.000 S
bekommen hatten und der Alpenverein 870.000 S, wird 1970 der Alpen-
verein nur 587.000 S, die Naturfreunde aber 346.000 S bekommen. Der
ursprünglich von der Abteilung vorgesehene Schlüssel 3.5 : 1 wird
nun in 13.000 : 10.000, dem liegen die Betten und Lagerschlafplätze
zugrunde, betragen. Bei dieser Gelegenheit wurde uns mitgeteilt,
dass der Verband alpiner Vereine Österreichs einen gemeinsam er-
arbeiteten Aufteilungsschlüssel, der einstimmig angenommen wurde,
aufgestellt hat. In Zukunft werden wir deshalb nur mehr über den
Verband alpiner Vereine Österreichs die Subventionen verteilen,
damit können wir vom Alpenverein oder einem sonstigen Verband nicht
mehr angeschossen werden.
Es gelang, im Journalisten-Beirat des Instituts, Benya mit den Journa-
listen zu einer ausführlichen und interessanten Diskussion zusammen-
zuführen. Der ÖGB hat bis jetzt eine sehr zurückhaltende Politik
bei Public-Relations-Arbeit aber vor allem auch beim Kontakt mit
den Journalisten an den Tag gelegt. Benya selbst hat scheinbar bis
jetzt kein sehr gutes Gefühl gehabt, wenn er Pressekonferenzen ge-
geben hat. Ich war deshalb sehr froh, dass es uns gelang, Benya auf
dieser Plattform mit den Journalisten ins Gespräch zu bringen,
von dem er nachher selbst sagte – es kam Erich Hofstetter ihn ab-
holen, – dass es sehr gut gelaufen ist, mit diesen Leuten konnten
wir in unserer Art reden. Zum Glück war auch die erste Frage, die
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sofort gestellt wurde, ob die Freiheitlichen als Fraktion
im ÖGB anerkannt werden. Benya war durch Jahrzehnte hindurch
Organisationsreferent des ÖGB und kannte daher aus der unmittel-
baren Nachkriegskreis bis jetzt jede kleine Gruppe und jede
Gruppierung innerhalb des ÖGB. Er hat durch seine zahllosen Reisen
in die Bundesländer auch immer wieder Gelegenheit gehabt, alle
FPÖ-Strömungen genau zu beobachten. Er konnte deshalb erschöpfend
Auskunft geben und war auf jede noch so detaillierte Frage sofort
imstande, aus dem Handgelenk heraus, die Richtigstellung oder eine
zutreffendere Antwort zu geben. In weiterer Folge musste er natür-
lich auch antworten, ob er und welche Kritik er an der sozialisti-
schen Minderheitsregierung zu üben hatte. Er machte es sehr ge-
schickt, nicht den Fehler zu sagen, dass alles in bester Ordnung
ist, sondern wies darauf hin, dass seinem Gefühl nach die Regierung
zu viele Probleme gleichzeitig anpackt, Er meinte, dass er als
Gewerkschafter und konservativer Mensch – wie er sich bezeichnete –
langsamer vorgegangen werden möchte. Auch die Frage, ob er eine
grosse Koalition bevorzugen würde, beantwortete er sehr ausreichend
und treffend, dass er hier doch nur seine persönliche Meinung kund-
tut und er auf dem Standpunkt steht, wenn grosse Probleme in Zu-
kunft an Österreich gestellt werden, er einer grossen Koalition
den Vorteil geben würde. Er verwies aber ganz besonders darauf,
dass in der jetzigen Phase – wie er dies sagte – dies nicht drinnen
sei, weil die ÖVP bei den Verhandlungen sich taktisch äusserst
unklug verhalten hat und deshalb die Verhandlungen auch mit Recht
von Kreisky abgebrochen werden mussten. Insbesondere strich er immer
wieder heraus, dass es hier keinerlei Differenzen zwischen dem
Bundeskanzler und ihm gebe, sondern dass ganz im Gegenteil aus
der vergangenen geschichtlichen Entwicklung er zwar oft, wie 2.8.
1966 bereits auf dem Standpunkt stand, dass eine grosse Koalition
mit der übermütigen ÖVP nicht mehr zu erreichen sei, während Kreis-
ky sich damals noch sehr redlich bemühte, doch noch eine Lösung
zustandezubringen. Andererseits wies er darauf hin, dass 1970
Kreisky mit Recht die Verhandlungen abgebrochen hat, weil auch
er bereits vor Abbruch dieser Verhandlungen der ÖVP wissen liess,
dass man so nicht verhandeln könne und dann halt die SPÖ einen
anderen Weg gehen muss, alles dies aber war vergeblich, weil
scheinbar Withalm oder Leute, die hinter ihm standen oder damals
die Politik machten, alles daran setzten, die Verhandlungen zum
Scheitern zu bringen. Man weiss natürlich nicht, was jetzt die
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einzelnen Zeitungen dann über diese Aussprache schreiben werden.
Benya war nachher sehr einverstanden, dass er in etlichen Monaten,
ich hab mir vorgestellt auf alle Fälle nach der Präsidentenwahl,
vielleicht wäre es aber zielführender noch früher, neuerdings
eine solche Aussprache zu arrangieren. Wenn die Meldungen nicht
wirklich kontra seiner Aussage in Zeitungen lanciert und geschrieben
werden, glaube ich, wäre es der erste Ansatz, dass der ÖGB eine
aktivere Pressepolitik machen wird. Dass so etwas notwendig ist,
ist schon allein aus der Besetzung unserer Zusammenkunft ersichtlich.
Noch niemals waren so viele Zeitungen und so prominente Vertreter
bei einer Aussprache bei uns erschienen.
Da am Freitag die Sozialökonomische Konferenz wieder zusammentreten
soll, hatte ich die wirtschaftspolitische Kommission der Partei
zu einer Besprechung über diese Konferenz zusammengerufen. Wir
kamen überein, dass es zielführend ist, wenn die Debatte dort eben-
falls organisiert wird. Nicht dass wir beabsichtigen, dass in Zukunft
und vor allem dort in aller Öffentlichkeit die Debattenredner die
Regierung nur beweihräuchern sondern ganz im Gegenteil, wir werden
dort eine sehr harte Diskussion führen. Ich glaube aber, dass es
notwendig war, eben zu bestimmen, was und wer diskutiert, damit
nicht aus den 350 Teilnehmern dann nur irgendwelche Nebengebiete
besprochen werden und vielleicht sogar dann noch in der Presse
entsprechend hochgespielt. Noch schlimmer wäre es ja gewesen, wenn
sie überhaupt niemand zur Diskussion gemeldet hätte. Bei dieser
Sitzung zeigte sich wieder die verschiedenartige Auffassung der
Taktik, die wir einschlagen sollen. Wirlandner meinte, so wenig
wie möglich heisse Eisen anfassen und vor allem einmal sich nicht
binden, was in der Zukunft noch geschehen sollte. Ossi Grünwald und
Szécsi wieder meinten, es sollten doch die grossen Probleme aufge-
zeigt werden und deren Lösung unverzüglich verlangt werden. Ich
glaube und hoffe, dass sich in der Diskussion am Freitag, ein Mittel-
weg zwischen den beiden Extremen herauskristallisieren wird.
Natürlich werden wir versuchen, schon in den Referaten der Minister
irgendwelche zukünftige Schwerpunkte herauszuarbeiten. Andererseits
natürlich wäre es nicht sehr zielführend, wenn z.B. nur die Schwä-
chen unserer bisherigen Politik z.B. ist es uns ja nicht geglückt,
die Strukturprobleme sei es in der verstaatlichten Industrie, aber
auch sicherlich nicht in der Privatindustrie, ernsthaft in Angriff
zu nehmen, ausschliesslich herausstreichen würden. Andererseits
natürlich können wir auch nicht in der Öffentlichkeit nur darauf hin-
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weisen, dass wir Untersuchungen in Auftrag gegeben haben und damit
in Jahren oder Jahrzehnten erst das notwendige Instrumentarium und
die Unterlagen in der Hand haben werden und die Probleme wirklich
angehen können. Ich glaube, dass bei den Mitgliedern der Wirtschafts-
politischen Kommission, obwohl wir sie ja doch – allerdings gebe
ich vielleicht viel zu spät – jetzt zulaufenden Sitzungen einberufen,
das grosse Unbehagen darin besteht, dass man doch erwartet hat, dass
der grosse Wurf innerhalb des ersten halben Jahres einer soziali-
stischen Regierung kommen müsste. Ich persönlich habe mich niemals
einer solchen Illusion hingegeben, da ich immer als Voraussetzung
eines grossen Wurfes ein grosses, aber bis ins Detail hinein gehendes
Konzept vorhanden sein müsste und dies in Wirklichkeit natürlich erst
jetzt erarbeiten werden muss. Wenn man in den Details unsere
Genossen, die sich mit Wirtschaftsproblemen eingehend beschäftigen,
aber einweiht und wenn man ihnen die Schwierigkeiten auseinander-
setzt, auf die man stösst, dann glaube ich ist es möglich, sie
auch davon zu überzeugen, dass es wirklich auch nicht einer sozia-
listischen Regierung noch dazu bei diesen Mehrheitsverhältnissen,
die allerdings in meinen Augen keine entscheidende Rolle spielen,
innerhalb eines halben Jahres möglich ist, wirklich ein grosses
bis in das letzte Detail erarbeitetes Konzept zu verwirklichen oder
in Angriff zu nehmen.
Kommerzialrat Klein hat zur 3.000. Aufführung der Spitzbuben
Krethi und Plethi eingeladen. Neben dem Kanzlerkandidaten der ÖVP
Waldheim, der mit ganz schwachem Applaus begrüsst wurde, viele
glaubten übrigens, dass dies bereits ein Antrittsapplaus für die
Spitzbuben sei, war auch Vizekanzler a.D. Withalm sowie von der
Regierung Androsch, Gratz, Rösch und ich erschienen. Von den
Künstlern konnte man Hutter und Leherb mit seiner Frau sehen. Antel
war natürlich auch anwesend. Ansonsten einige Ministerialbüro-
kratie und natürlich auch Herren der Wirtschaft. Slavik kam später
Vizebürgermeister Sandner war mit Komm.Rat Fröhlich aber bereits
anwesend. Fröhlich und Slavik, der scheinbar von einem anderen Ball
kam, sogar im Smoking. Leherb aber mit seiner Frau macht auf mich
zumindestens den optisch besten Eindruck. Da Klein über Scheer,
der ebenfalls mit Frau anwesend war, billig wie er selbst in seiner
Ansprache sagte, einige Drucke von Leherb bekommen hat, überreichte
deshalb den Spitzbuben ausser einer Golderinnerungsmedaille auch
noch Bilder von Leherb und Leherb selbst erklärte sich auch bereit,
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ein Geschenk zu überreichen. Er hielt eine sehr launige Ansprache,
aus der man ersehen konnte, dass er zumindestens der vierte Spitzbub
war und überreichte dann allen eine kleine weisse Maus. Ich hatte
Leherb immer als einen sehr geschickten Manager für seine Sache be-
zeichnet und mein erster persönlicher Kontakt mit ihm hat dies jetzt
endgültig bestätigt. Ich glaube er versteht es sehr gut, sich selbst
entsprechend zu verkaufen. Alles was dabei an Mäusen und sonstigen
Krimskrams ins Spiel bringt, ist nichts anderes als gute Reklame
für sich und die Presse auf ihn aufmerksam zu machen. Auf diese Art
können manche Public-Relations-Leute etwas lernen.
Tagesprogramm, 25.2.1971