In der Ministerratsvorbesprechung hatte ich Gelegenheit, das
LannacherProblem zu diskutieren. Da die Amtssachverständigen ein-
deutig und das Sozialministerium bestätigte es neuerdings, keinerleo
Möglichkeiten sahen, gegen die Raffinerie einzuschreiten, musste
ich den Ministerkollegen mitteilen, dass ich Raffinerie jetzt end-
gültig genehmigen werde. Ich wies darauf hin, dass dies gegebenen-
falls Unruhe in Graz oder zumindestens in Lannach mit den Anrainern
geben wird oderkann und dass ich aber alle Vorkehrungen getroffen
hatte, den Brief an Krainer und deren Antwort verlässlich.
Frühbauer wies darauf hin, dass er für die Pensionisten den Aus-
weis nur für die Ausgleichzulagenempfänger gratis abgeben möchte,
wenn sie eine diesbezügliche Bescheinigung vom Sozialversicherungs-
institut bringen. Dies ist nach Mitteilung Mosers sehr einfach
möglich, da aus dem Computer nur eine einfache Bescheinigung sofort
abgeschrieben werden kann. Die ÖBB dürfte sich gegen einen Ausweis,
der gratis ausgestellt werden muss, ausgesprochen haben. Die Mini-
sterratssitzung war die kürzeste, die ich je erlebt hatte, weil
sich überhaupt niemand zu Wort meldete und Kirchschläger zum Schluss
mitteilte, dass ein Nahoststaat die Friedensinitiative von Aussen-
minister Rogers begrüsst. Anschliessend hatte ich noch eine Bespre-
chung mit Firnberg, der ich gleich bei Beginn der Ministerratsvor
besprechung mitteilte, dass nur zwei Kollegen von meinem Ministerium
in ihr Ministerium gehen könnten und ich dafür einen Dienstposten
für einen Chemiker unbedingt zusätzlich dann bekommen muss. Sie war
zuerst sehr erbost darüber und sah darin eine gewisse Affrontstellung
gegen ihr Ministerium. Ich konnte ihr allerdings nachher ausein-
andersetzen, dass ich unbedingt den einen Dienstposten zusätzlich
brauche, da ich den Sohn des ehemaligen Ministerialrates, der bei
Weikhart tätig war und derzeit im Münzamt angestellt ist, auf einen
Dienstposten in das Ministerium bringen muss. Aus diesem Grunde halte
ich es für notwendig, dass ich ihr zwei Leute abgebe und damit einen
Dienstposten wenigstens erhalte. Da sowohl Min.Rat Mühlberger als
auch der ehemalige Sekretär von Frau Minister Rehor, der von unserem
Ministerium abgestellt gewesen ist, ins Ministerium Firnberg wollen,
habe ich in Prinzip ja bereits erklärt, dass beide wenn sie wollen
natürlich gehen können. Auf der Stiege sagte mir noch Rösch,
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dass jetzt in unserer Regierung in Verhältnis zur Koalitionszeit,
wo er in der Regierung war, phantastisches Klima herrscht. Damals
sagte er, hätten die eigenen Genossen oft untereinander vollkom-
men untransigente Standpunkte eingenommen. Jeder hätte nur sein
Ressort gesehen und nicht nur das, jeder hätte mit dem anderen
um Kompetenzen oder um andere Einflüsse gestritten. Dass dies gegen-
über den ÖVP-Ministern der Fall war, wäre von seinem Standpunkt
aus nocht erklärlich gewesen, aber dass es auch innerhalb der
sozialistischen Fraktion damals diese Spannungen gegeben hat, war
für ihn und ist für mich natürlich auch unerklärlich. Ein stehender
Ausdruck sei damals von Waldbrunner gewesen: dafür könnt ihr mich
nicht gewinnen, Pittermann hätte immer versucht zu lavieren
und vor allem Olah hätte eine ausgesprochen sture und oft uner-
klärliche Haltung eingenommen. Probst sei seiner Meinung nach
kaum richtig informiert gewesen und hätte sich in der Materie
viel zu wenig eingearbeitet und auch Kreisky hätte damals nicht
annähernd einen so grossen Weitblick und so geschickte Politik
gemacht. Und Proksch zeichnete sich insbesondere durch eine aus-
gesprochen sture Haltung aus. Ich erwiderte, dass es sich wahr-
scheinlich darum gehandelt hat, dass doch der Ehrgeiz der einzelnen,
als Person in Erscheinung zu treten, die Ursache dieser unglück-
seligen Stimmung innerhalb der Regierungsfraktion gewesen ist
und dass wir jetzt doch zumindestens bis jetzt sagte Rösch,
sehr gut zusammenhalten und das Gefühl haben, dass wir nur als
Team auftreten können und nur als Team uns behaupten.
Die erste Arbeitssitzung und auch eigentlich die einzige Arbeits-
sitzung erfolgte mit dem russischen Aussenhandelsminister Pato-
litschew, Maschulo und Pozderow. Ich hatte ihm wie bei seiner
Ankunft besprochen und auch übergeben ein Aide memoire feier-
lichst am Anfang überreicht und nachdem sein Stellvertreter Manschu-
lo berichtet hatte über den Vertrag und Reiterer ergänzte und vor
allem sich in Wirklichkeit nur bedankte, so konnten wir über das
Aide Memoire reden, was ich allerdings noch ergänzen musste, da
die SGP mir um 3/4 11 Uhr – um 11.00 Uhr begann die Sitzung –
noch ihre Sorgen mitteilte. Die SGP wollte haben – Enzmann hat
mit mir sogarr dann noch telefonisch gesprochen, dass wir uns
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einsetzen, erstens eine Kooperation der SGP und der russischen
Unternehmungen beim Bau der neuen Eisenbahn in Kuba zu erreichen.
Zweitens hat die SGP der sowjetrussischen Technochrom Experten
angeboten, die gemeinsam in Syrien ein Ölkraftwerke mit zweimal
60 Megawatt errichten sollen. Ich wies – da mit Reiterer darauf aus-
merksam machte, man sollte von Kuba nicht sprechen – doch darauf
hin, dass es zweckmässig wäre, ein gemeinsame Besprechungen dahin-
gehend zu führen und zu fördern, dass Elektrizitäts-, Öl- und vor
allem Bahnbauten in Kooperation mit russischen Firmen und Unter-
nehmungen erfolgen sollten. Patolitschew antwortete, nachdem er
von rückwärts begann, als erstes, indem er erklärte, er sei auch
der Meinungn, dass es möglich sei, in dritten Ländern Bauten, sei
es von Elektrizität-, Öl- oder Bahn- gemeinsame zu führen und man
sollte Gespräche in Arbeitsgruppen fortsetzen. Aber man dürfe nicht
vergessen, dass auch die dritten Länder entsprechen müssen, d.h.
einverstanden seien. Die ÖNB legte ein pro memorial vor, aus dem
ersichtlich ist, dass derzeit fast 11 Mio $ bei einem vertraglichen
Swing von 5 Mio $ österreichische Clearingforderungen bestehen,
er erwähnte bei dem pro memorial nur, dass in den letzten
Wochen haben sich bei dem Versuch, Transitaktionen einzuleiten,
leider Schwierigkeiten ergeben und ich hoffe, dass Patolitschew
hier uns herlfen könnte. Eine dezitierte Ziffer nannte ich deshalb
nicht, weil sonst Patolitschew geantwortet hätte, dass wir eben
zu wenig aus der UdSSR importieren. Gerade im ersten Halbjahr sind
ja unsere Exporte um 49,8 % auf 1,170 Mia gestiegen, während
die Importe nur um 8 % auf 599 Mio gestiegen sind. Patolitschew ant-
wortete, er sei der Meinung, dass wenn Clearing-Transaktionen bei
uns entstehen, weil wir eben einen Überhang haben, dann würde er
sich schon einsetzen, dass solche Switch-Geschäfte möglich
sind, allerdings meinte er, es müsste dort mir Ländern solche
Transaktionen gemacht werden, wo die SU selbst keine Schulden hat,
wo also ein positiver Saldo ist. Die Wünsche der Maschinen- und
Apparatebaugesellschaft Graz, der Tyriloa-Werke Schwaz werden
von der SU real geprüft werden. Der Auftragswunsch der Korneuburger
Schiffswerft wurde nach kommerzieller und technischer Überprüfung
wahrscheinlich, wie er sich ausdrückte, bald klappen. Bezüglich der
Rohöllieferung könnte er mir mitteilen, dass 200.000 t von währungs-
zahlenden Ländern abgezweigt werden und nach Österreich geliefert
werden. Die Russen könnten noch 100.000 t aus der VAR Öl liefern,
das sie gekauft und transportieren müssen. Da aber die ÖMV erklärt,
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dieses Öl unter gar keinen Umständen zu gebrauchen, da es qualitäts-
mässig nicht entspricht, konnte ich dieses Anbot nicht annehmen. Be-
treffend des Wunsches, Koks zu liefern, könnte er nichts versprechen.
Denn in Kuba gibt es auch eine Kokskrise und die wollen Koks von ihnen
haben, sie liefern der Kubanern 4 Mio t Rohöl, aber sie können ihnen
keinen Koks liefern, obwohl sie ansonten alles für Kuba tun und Bulga-
rien selbst wünscht jetzt ebenfalls dringend Koks, weil sie sonst
seine Hochöfen stillegenmuss. Während er bei den Ausgangspunkt unseres
gespräches, wo er die Wünsche alle präsentiert bekommen hat, sicher nur
humanistisch aber doch meinte, das sei alles ein Traum, konnte ich jetzt
erwidern, dass er doch eine sehr, sehr grossen Teil dieses Traum Wirk-
lichkeit werden liess und mich auch vielmals für dieses Entgegenkommen
bedanken. Ich war darauf vorbereitet, dass auch er entsprechende Wün-
sche bringen würde, ich hatte alle offenen Fragen mit den dafür zutän-
digenStellen besprochen, u.a. erwartete ich, dass er sich vielleicht
wegen der geringen Importe von Moskwitsch-Auto, wo wir im Vorjahr nur 45
456 weniger als im Jahr 1968, wo wir wenigstens noch 597 Stück mit
12,5 Mill. importiert hatten. Im ersten Viertel 1970 sind im Ganzen
3 Stück hereingekommen. – dass er sich wegen der Frage des U-Bahnbaues
oder wegen der Umflottung der AUA mit Wünschen an mich wenden würde.
Zu meiner grösstenVerwunderung – ich hatte mit all den zuständigen
Stellen, sei es der Gemeinde Wien, oder der AUA Direktor Henschgl,
Besprechungen geführt – kam kein einziger diesbezüglicher Wunsch.
Mayer-Gunthof, der bei den Verhandlungen anwesend war, interssant war
die Bemerkung, die ,als Manschulo auf die Listen zu sprechen kommt,
Patolitschew ihn unterbrach und fragt, sind Kammgarn drinnen, dankte eben-
falls den Russen für ihr Entgegenkommen und wies nur darauf hin,
dass sie viel mehr Werbung in Österreich machen müssten, um ihre Waren
zu verkaufen. Anschliessend sagte mir Mayer-Gunthof, dass dies ein
ganz grosser Erfolg ist, den ich hier bei den russischen Verhandlungen
erzielt hätte und dass meine Taktik die beste sei, die man gegenüber Rus
sen anwenden kann, doch nicht immer als Fordernder oder Überlegener
aufzutreten, sondern sehr nüchtern und sachlich die Wünsche vortragen
und sich entsprechend informiert zeigen.
Gehart bestätigte mit, der jetzt den Dienst im Ministerium neu angetrete
hatte, dass sich in der kurzen Zeit einiges wesentlich geändert hat
und dass vor allem er auch der Meinung ist, dass Mitterer sich viel
zu wenig vorbereitet hat und auch Bock seinerzeit schon nur als
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Bürokrat und Beamtenseele vielleicht noch viel gelesen hat, aber
dann nicht bereit war, sind in Aussprachen wirklich ein objektives
Bild zu verschaffen.
Bei der Besichtigung des Heimes von Vöslau hatte tatsächlich
Patolitschew und Manschulo sowie Karmasin die Absicht zu saunen
und Reiterer und ich waren die einzigen Österreicher, die ebenfalls
natürlich daran teilnehmen. Bei der Besictigung des Heimes im
Konditionsraum konnte ich feststellen, dass sich die Russen sehr
für die Zimmer-Räder interessierten und damit war ein Problem end-
gültig gelöst, nämlich dass wir ihm natürlich an Stelle eines
Tellers, der mindestens so viel oder noch mehr kostete als solche
Heim-Räder, als Geschenk übergeben werden. Der russische
Aussenhandelsminister Patolitschew fragte mich dann ganz allein,
ob ich bereit wäre und wie er es anstellen könnte, dass ich zu
einem Besuch mit meiner Frau und meiner sonstigen Begleitung in
die SU kommen könnte, ob er eine entsprechende Bemerkung
bei der Pressekonferenz machen sollte oder ob er wie er sagte, ein
besiegeltes Schreiben schicken sollte. Dies gelte auch für Sektionschef
Reiterer. Ich erwiderte sofort, dass dies alles nicht notwendig
sei, ich diese Einladung dankend annehme, aber doch darauf hinwies,
bei einer Besprechung, die ich nachher mit dem Botschafter hatte,
dass dies in nächster Zeit vor nächstem Jahr auf gar keinen Fall
möglich sein würde. Ich hatte den Eindruck, dass sie angenommen
hatten, ich würde womöglich in acht Tagen bereits kommen. Ich
konnte im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen auch fürden
Bundespräsidenten im nächsten Jahr und die heissen NR-Sitzungen
wo ich ja unter allen Umständen anwesend sein musste, einmal Zeit
gewinnen. ich bin allerdings vollkommen bewusst, dass ich einen
Besuch nicht werde entgehen können. Die Gemischte Kommission,
die heuer bereits stattfinden sollte, wurde – da ja in Wien im
Jänner die letzte stattgefunden hat – wo man allerdings bestimmte,
dass im Herbst 1970 die nächste in Moskau sein wird – konnte ich
auf das nächste Jahr ebenfalls verschieben, da auch bei der Gemisch-
ten Kommission die Minister anwesend sein müssen.
Tagesordnung 16. Ministerratssitzung, 4.8.1970
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