Donnerstag, der 14. Mai 1970

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Bei der ersten Aussprache mit unserem Budgetreferenten
stellte sich heraus, dass unser ganzes Budget in Wirk-
lichkeit auf die Zinssubventionen aufgehen würde. Wir
müssen uns also genau überlegen, ob wir diese Politik
nicht unverzüglich abbrechen und die Gelegenheit dazu wäre,
dass wir keinen einvernehmlichen Vorschlag über Richtlinien
auf Grund des Gewerbestrukturverbesserungsgesetzes für die
Zinszuschüsse bekommen haben. Lacina hat mir einen Bericht
gegeben, dass die Beiratsempfehlungen noch immer so gehandhabt
werden wie bis vor der neuen Regierung, d.h. dass auch
Betriebe, die vollkommen uninteressant sind, wie z.B. Wein-
händler und Produktenhändler nach wie vor in der Beirats-
empfehlung positiv abschneiden. Inbesondere weil der MR Wohl-
gemuth
seine Stellungnahme bis jetzt in demselben Sinne ab-
gibt. Ich verlangte deshalb in Anwesenheit von Sekt.Chef Schipper
einen Bericht über die Sitzung, wo er interessanterweise eigent-
lich das Gegenteil mir mitteilte. Ich werde deshalb einen
schriftlichen Bericht heute von ihm verlangen.

Die Pressekonferenz, wo Kreisky den zweiten Teil der Regierung
der Presse zur Verfügung stellte, verlief für uns glaube ich
ganz gut. Nur hat es sehr wenig Sinn, wenn so viele Minister
gleichzeitig eine Pressekonferenz abhalten, weil ersten so
viel positives Material unbedingt untergehen muss, die Presse
kann ja kaum darüber berichten und zweitens weil dann noch
immer die Möglichkeit besteht, unangenehme Details herauszu-
picken, die ja auf alle Fälle bei diesen noch so guten
geschlagenen Pressekonferenzen zutagetreten und sie ganz gross
anfzumachen. So hatte der Pressedienst der Österreichischen
Volkspartei in der nächsten Morgensendung Gelegenheit sowohl
Androsch eins auszuwischen, indem sie mitteilten, dass Kreisky
in Wirklichkeit einen jungen Mann ohne Erfahrung nach Deutsch-
land mitnehmen musste, damit er endlich Finanzleute kennenlernt,


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zum Unterschied von Koren, der also schon als Professor die
ganze Welt gekannt hat, das ist natürlich eine glatte Ver-
leumdung, denn Koren war als Politiker viel weniger bekannt
und viel weniger verankert als dies Androsch ist. Oder in
zweiter Linie dann erklärte, Handelsminister Staribacher
hat erklärt, dass die Preise sehtr stark steigen und ins-
besondere sie wesentlich höher seien als zur Zeit der ÖVP-
Alleinregierung. In Wirklichkeit ist der Aprilindex noch immer
eine Folge der Regierungspolitik Klaus, denn erst nach längerer
Zeit kann eine neue Antipriespolitik wirksam werden. Ich glaube
daher, es wirdin Zukunft zweckmässig sein, wenn jeder Minister
eine eigene Pressekonferenz gibt, damit er die Chance hat,
dort seine Ideen klarer und deutlicher dazulegen, weil mehr
Zeit zur Verfügung steht und weil und das ist das Wichtigste
die Zeitungen, die einigermassen objektiv berichten, dann für
diese Sache mehr Raum zur Verfügung haben.

Nachmittags hatte Kreisky im Klub eine Sitzung für das Problem
Fusion ÖMV-ÖSW eingeladen. Es waren fast 50 Personen anwesend
woraus sich schon die Tatsache ergibt, dass kaum eine konkrete
und zielführende Diskussion geführt werden konnte. Ich selbst
hatte nur ca. 1 Stunde Zeit und musste das Schauspiel miter-
leben, dass vernünftige Leute, mit denen man früher unter
vier Augen oder im kleinen Kreis dieses Problem sachlich dis-
kutiert wurde dann unter Anwesenheit von ihren preasure group members
oder ihren Organisationen dann natürlich auf die alte Taktik
einschwenkten, es sollte so wenig wie möglich am jetztigen Zu-
stand, d.h. am Zustand vor der Fusion geschehen. Bei der Be-
sprechung (fraktionelle) mit unseren Vertretern in unseren
Fremdenverkehrsstellen und Fremdenverkehrswerbung ergab, dass
ich Recht hatte mit der Vermutung, dass Langer-Hansl und Wirk-
lichkeit nur ein grosser Schwadrant ist, der bis jetzt imstande
war, viel Geld für seine Zentralstelle in der Hohenstaufengasse
zu verwenden, sämtliche Landesfremdenverkehrsreferenten sind
deshalb der Meinung, dass Langerhansl für diesen Posten nicht qual-
ifiziert sei. Da sein Vertrag Mitte des nächsten Jahres abläuft,
er hat eine dreijährige Verlängerung bekommen, so wird man sich


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bis dorthin mit ihm abfinden müssen. Ich werde aber auf alle
Fälle versuchen, meine Forderung, d.h. das genaue Finanzierungs-
konzept und die Ausgaben im Detail noch zu sehen, bei ihm
durchsetzen. Was er bis jetzt geliefert hat, war nichts anderes
als ein unzulängliches, von ihm meistens irgendwo gehaltenen
oder nicht gehaltenes Referat, er will also scheinbar die wirkliche
finanzielle Gestion der Fremdenverkehrswerbung mir nicht geben
oder er hat überhaupt noch nicht begriffen, dass ich nur über
das Ziffernmaterial in Zukunft mit ihm diskutieren will.
Die Idee von Langerhansl, immer nur mehr Geld zu verlangen,
kommt ja auch darin zum Ausdruck, dass er allen Ernstes glaubt,
wir werden sein Budget von 70 Mio auf 85 Mio S erhöhen. Es wird
also mit ihm bei der nächsten Arbeitsausschussitzung, die meine
erste in dieser Institution sein wird, harte Auseinandersetzungen
geben.

Da mich die Industriellenvereinigung zu ihrer Jahresversammlung
eingeladen hatte, und gleichzeitig belgische Journalisten vom
Bundespressedienst bei mir angesagt waren, ersuchte ich diese
auf einen kurzen Zeitraum zumindestens zu verschieben, damit
ich bei der Eröffnung dieser Jahresversammlung anwesend sein
konnte. Dies ist Koppe Fritzl auch geglückt und ich hatte des-
halb Gelegenheit, bei der Indusriellenvereinigung bei der Jahres-
versammlung offiziell anwesend zu sein. Leider musste ich
weggehen als Nemschak sein Referat über die Industriepolitik
in Österreich halten konnte, ich hatte mit ihm aber noch verein-
bart, da ich mich vorher selbstverständlich bei ihm entschul-
digte, dass er dieses Referat uns zur Verfügung stellen wird .

Im Klub erhielt ich auch die ersten Anfragen, die ich bei der
nächsten Fragestunde an mich gerichtet werden würden. Insbesondere
fiel auf, dass Mitterer als nach unserem Ministerbüro, deren Be-
setzung fragte. Vormittags teilte mit Heindl mit, dass Böhm, unser
Personalreferent im Auftrag des Bundeskanzleramtes über die Kosten


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und Zusammensetzung des Ministerbüros eine Antwort geben musste.
Ich setzte mich sofort mit Veselsky in Verbindung und erklärte
ihm , was dies für ein Unsinn sei, solche Fragen über den offi-
ziellen Apparat an die Minister zu stellen. Er hätte doch Ge-
legenheit gehabt, unmittelbar die einzelnen Minister zu fragen.
Ich weiss alos nicht, inwieweit diese Anfrage jetzt auf Material
sich stützen wird, das offiziell vom Bundeskanzleramt von den
einzelnen Ressorts angefordert wird. Die Anfrage an und für
sich kommt für uns nicht ungelegen. Ich habe ja auch bei der
Pressekonferenz bereits auf die Unorganisierung in meinem
Ministerium hingewiesen. Da wir keine einzige Person ver-
setzt haben, glaube ich werden wir bei dieser Aktion gut ab-
schneiden.

Abends gab die Industriellenverinigung ein Sommerfest und ich
hatte dort Gelegenheit mit Withalm, Koren, Mussil, Pisa und
Kranzelmaier an einem Tisch zu sitzen. Ich versuchte selbstver-
ständlich mit wie sie selbst zugaben mit meinem Wiener Schmäh
zuerst die Gesellschaft entsprechend zu unterhalten. Ich hoffte
aber doch, einige Details von ihnen zu erfahren. Tatsache ist,
dass Withalm mir einreden wollte, dass ich ein unangenehmes
Gefühl haben müsste, mit so wenigen Mandaten in die nächsten
Haussitzungen zu gehen. Meine Antwort war, das ist ganz das
Gegenteil der Fall ist, denn mit 83 Mandaten würde es wahrschein-
lich grössere Komplikationen geben als mit 81, denn es würde
jetzt eben die Österreichische Volkspartei nicht sagen können,

sondern die ÖVP müsste jetzt ganz klipp und klar zu jedem Ge-
setzentwurf Stellung nehmen. Sie wird daher innerhalb der Öffent-
lichkeit immer wieder zu vertreten haben, warum sie das eine
Gesetz annimmt und den anderen Gesetzentwurf ablehnt.
Withalm war über diese meine Haltung sehr erstaunt. Er glaubte
scheinbar, mich mit der geringen Mandatsanzahl der Sozialisten
ins Bockshorn jagen zu können. Auf die Frage, wieweit und wie
lange wir denn überhaupt glauben würden, dass diese Regierung


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Bestand hätte, erklärte ich ihm mit meinem guten Bonmot, wie
ich gegenüber Mussil und Sallinger ausgeführt hatte. Damals
und heute wurde ich ja immer wieder gefragt, wie ich denn dann
einmal wieder in meine Funktionen zurückkehren könnte, nachdem
ich ja jetzt mehr oder minder Unternehmervertreter sei. Meine
Argumente dagegen sind: Ich werde jetzt nachdem ich 50 bin
20 Jahre im Handelsministerium sein und dann bin ich sowieso –
1990 – pensionsreif und würde deshalb keine Probleme mit
meiner alten Organisation haben. Die Taktik, die ich dabei
verfolgte, war, ihnen zu zeigen, dass wir uns auf eine lange
Regierungszeit vorbereitet haben und auch erwarten, dass wir diese
durchführen können. Nach Auffassung der Tischrunde würden wir
scheinbar nur ganz kurze Zeit im Amt sein. Allerdings konnte
ich feststellen, dass Maleta, der später kurz zu unserem Tisch
kam, alle recht herzlich begrüsste, dass aber eine sehr starke
Spannung zwischen dem Wirtschaftsbund und Maleta besteht.
Von der Präsidentenkonferenz war auch Dr. Lehner am Tisch, der
erst jetzt zum Vorsitzenden dieser Organisation gewählt wurde.
Er erzählte mir, dass er nach wie vor an dem seinerzeit mit
uns besprochenen Konzept festhalten will, d.h. den ersten Futter-
preis erhöhen, um die Relation zwischen Futterweizen und Gerste
zu verbessern, vor allem die grossen Menge von Füll- zu Futter-
weizen abwerten und dadurch aus der Überschussproduktion herauszu-
kommen. Ich bin neugierig, wie weit er diesen Plan, der zweifels-
ohne sehr venünftig ist, in seinen eigenen Organisationen durch-
stehen wird. Ich werde selbstverständlich Öllinger, wenn er
wieder im Amt ist, von dieser Aussprache verständigen.
Koren machte sich ernstlich Sorgen für uns, ob wir denn am 22.10.
das Budget für 1971 zustandebringen werden. Dies war von ihm
nicht gespielt, er sagte mir, er glaube, dass für ihn diese
Periode die schwierigste gewesen Wäre. Ich versicherte ihm,
Androsch würde ein absolut perfektes und zweckmässiges Budget
vor dem 22.10. dem Hause zuleiten. Betreffend meiner Erkundigungen
ob er im Schattenkabinett Finanz- oder Handelsminister sein würde,
meinte er lächelnd, vielleicht beidees und bei Withalm aber
ergab sich dann die Diskussion, dass er derzeit nicht beab-
sichtige, ein Schattenkabinett zu errichten. Wie weit natürlich


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diese Aussagen dort überhaupt einen Wert haben, oder ob sie nur
aus taktischen Gründen mir mitgeteilt wurden, kann ich natür-
lich im jetzigen Zeitpunkt nocht beurteilen, das wird aber die
nächste Zeit klar und deutlich zeigen. Von einigen Stellen wurde
ich bei dieser Gelegenheit gefragt, ob es richtig sei, dass
die Fusion der ÖMV und ÖSW heute nachmittag durch Beschluss
der Sozialistischen Partei rückgängig gemacht werden sollte.
Da ich bis zum Schluss der Sitzung nicht anwesend war, konnte ich
mit ruhigem Gewissen sagen, ich war nur kurze Zeit bei diesen
Besprechungen dabei und weiss nicht, die endgültige Beschluss-
fassung. Für die endgültige Beschlussfassung ist ja auf alle
Fälle ein Parteivorstandsbeschluss notwendig, erklärte aber
gleich überall, dass es der demokratischen Gepflogenheit der
sozialistischen Partei nur entsprechen würde, dass sie jetzt
wo eine Möglichkeit besteht, den seinerzeitigen diktatorischen
Beschluss in der ÖIG rückgängig machen würde, um zweckmässigere
demokratische zustandegekommene Lösungen herbeizuführen.

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        Tätigkeit: Personalvertretung HM


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          Tätigkeit: Finanzminister
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            Tätigkeit: Präs. LWK


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                Tätigkeit: BK 1966-70, ÖVP


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                  Tätigkeit: Finanzminister, ÖVP-NR-Abg., OeNB-Präs.


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                      Tätigkeit: Landwirtschaftsminister 1970


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                        Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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                          Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
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                                Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


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                                    Tätigkeit: Bundeskanzler
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                                        Tätigkeit: Handelsminister, ÖVP, Präs. HK Wien


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                                          Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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